Grafing:Zarte Striche, grobe Ketten

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Günter Ettenhuber, Künstler und Querdenker aus Grafing, gibt im Museum seiner Heimatstadt einen Einblick in sein mittlerweile 50-jähriges facettenreiches Schaffen

Von Anja Blum, Grafing

Zwei Inspirationsquellen sind es, aus denen Günter Ettenhuber unaufhörlich schöpft: die Natur und das Material. Ersterer gilt ohnehin seine Liebe, seit Jahrzehnten schon widmet sich der gebürtige Grafinger dem Naturschutz, eine Leidenschaft, die eben auch einfließt in seine Malerei. Getragen von tief greifendem Verständnis für ökologische Systeme bannt der 77-Jährige die unterschiedlichsten Landschaften auf die Leinwand, fängt mit dem Pinsel Stimmungen ein, die nicht menschengemacht sind, sondern einem anderen Schöpfer entspringen.

Diesem nachzueifern - "Stilisierungen wie blaues Gras oder rote Bäume sind meine Sache nicht" - ist allerdings ein Anspruch, der Ettenhuber manchmal schier verzweifeln lässt: "Hier habe ich versucht, den Föhn zu malen, aber das hätte ich lieber bleiben lassen", sagt er und schüttelt den Kopf, denn so wie die Alpenkette an solchen Tagen erstrahle, das könne man einfach nicht abbilden. Den geneigten Betrachter im Grafinger Museum allerdings spricht dieses zarte Gemälde genauso unvermittelt an wie Ettenhubers "Frühlingsahnen", sein "Herbstsee", "Oktoberschnee" oder die "Auenlandschaft" mit einem ökologisch höchst wertvollen "Altwasser", wie der kundige Maler erklärt. "Und sehen sie diese Baumhöhlen? Da finden ganz viele Tierarten Unterschlupf."

"So geht am wenigsten kaputt": Günter Ettenhuber fährt seine Exponate mit der Sackkarre ins Grafinger Museum. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Doch nicht nur über die Natur weiß Ettenhuber viel, sondern auch über seine Heimat. "Letztes Aufgebot der Öxinger" heißt zum Beispiel eine Ansammlung kleiner, strauchelnder Kämpfer auf einem großen Steinquader, der aus einem alten Hof des Grafinger Ortsteils stammt. Damit spielt Ettenhuber auf die umstrittene Zusammenlegung der vormals zweigeteilten Ortschaft an. Auch im Lauf der Zeit verschwundene Bäume, Gebäude oder Stadl hat er in seinen Bildern festgehalten und weiß beredt davon zu berichten.

Außerdem angetrieben ist Ettenhuber von einer ausgeprägten Leidenschaft für die "morbide Schönheit" alter Materialien. Egal ob Holzblöcke, Steine oder Metallelemente: Fallen sie diesem Mann in die Hände, wird früher oder später Kunst daraus. Sein ganzes Anwesen in Grafing ist voll mit Dingen, die wohl viele Menschen als "Schrott" bezeichnen würden, doch Ettenhuber hütet dieses Sammelsurium wie einen Schatz. Dass heute alles Ausrangierte gleich sortiert und fachmännisch entsorgt wird, ist ihm dementsprechend ein Greuel: Die früheren Schuttgruben seien zwar ökologisch fragwürdig, aber ihm stets ein Ort der Freude gewesen. "Man kann aus jedem Dreck was machen", lautet das provokante Credo des 77-Jährigen, dem die große Künstlerpose so fern ist wie nur irgendwas. Bei jedem seiner bildnerischen Exponate kann er erklären, woher die einzelnen Teile stammen, wo er sie gefunden oder von wem er sie geschenkt bekommen hat, doch das Fazit lautet meist nüchtern: "Dann hab ich das halt so gemacht."

Zu sehen sind Skulpturen und Bilder, Kritisches und Humorvolles. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Die Ergebnisse indes sind so vielfältig wie bezaubernd, reichen von mit der Motorsäge herausgearbeiteten Holzskulpturen über zierliche tönerne Figuren bis hin zu Objekten aus Metall. Unter Ettenhubers Händen werden die Reste einer Jugendstilwendeltreppe zu einem Schmetterling, der trotz seiner Größe und Massivität erstaunlich grazil wirkt, ein großen Karabiner inspiriert ihn zu einem Flamingo, aus Schrauben, Ketten und Eisenteilen aus längst vergangenen Tagen der Landwirtschaft komponiert er ein Schaf, ein Huhn oder auch mal Fantasiewesen wie einen Drachen.

Allerdings schafft Ettenhuber, seines Zeichens streitbarer Querdenker, gerne auch mal etwas Kritisches: "Letzter Fasching" heißt zum Beispiel ein Gemälde, das eine Fischgräte und einen angebissenen Apfel in einer öden Landschaft zeigt, quer durch das Bild zieht sich eine Spur bunten Konfettis. "Alles geht kaputt, aber die Menschheit feiert immer noch", kommentiert der Künstler dieses Werk. "Die Gedanken sind frei?", lautet der Titel einer animalisch angehauchten Büste, aus deren Haupt Stacheldrähte ragen. Als Kontrast dazu hat Ettenhuber ihr einen bunten Schmetterling auf die Brust gesetzt. "Die Gedanken können quälend sein, aber sie sind das Wichtigste, das wir neben unseren Gefühlen haben."

Aber auch Fantasievolles und Altmeisterliches ist zu sehen. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Seit 50 Jahren - "aber eigentlich schon viel länger" - ist Günter Ettenhuber künstlerisch tätig, und zwar in allen erdenklichen Formen. In früheren Jahren habe er seine Heimatstadt sogar mit politischem Kabarett unsicher gemacht, erzählt er. Auch wenn die Familie ihn stets davor gewarnt habe, sich als selbständiger Landschaftsgärtner damit nicht die betuchte Kundschaft zu vergraulen. "Aber ich wollte meinen Mund einfach nicht halten." Und das tut er bis heute nicht.

Günter Ettenhuber: 50 Jahre künstlerisches Schaffen, Sonderausstellung im Museum der Stadt Grafing, Vernissage am Donnerstag, 3. März, um 19.30 Uhr, zu sehen bis 17. April

© SZ vom 02.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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