Grafing:Von Schergen und Heiligen

Lesezeit: 2 min

Die Stadt bemüht sich um mehr historisches Bewusstsein bei den Bewohnern - nun mit zwei neuen Infotafeln

Von Julian Carlos Betz, Grafing

Jede Stadt hat ihre eigene Geschichte, von der jedoch manches in Vergessenheit gerät. Etwa die Grenzsäule zur spätmittelalterlichen Hofmark Elkofen, an der Delinquenten, die sich todeswürdiger Verbrechen schuldig gemacht hatten, den Schergen des landesherrlichen Hochgerichts in Markt Schwaben übergeben wurden. Dazu band man die Verbrecher mit einem seidenen Faden an der Säule fest und rief anschließend drei Mal nach dem Gerichtsschergen. Erschien dieser nicht, war der Gefangene frei. Damit hing also sein Leben sprichwörtlich am seidenen Faden.

Peter Perfler schraubt die neue Infotafel fest, Georg Weilnböck, Martin Stahhuber und Johann Hupfer (beide Arbeitsgemeinschaft für Heimatkunde), Angelika Obermayr und Bernhard Schäfer freuen sich. (Foto: Christian Endt)

Spannende Details wie dieses lassen sich nun in Grafing vor Ort nachlesen. Zwei Infotafeln wurden angebracht und eingeweiht, nicht nur an besagter Säule, sondern auch an der geschichtsträchtigen "Christophorus-Brücke", dem Bachübergang zwischen Marktplatz und Glonner Straße. Denn dort befindet sich auch eine 1954 angebrachte Statue aus Kalkstein des Wasserburger Künstlers Willi Ernst (1909 bis 1982), die den Heiligen darstellt.

An diesem Übergang über die Urtel spielte sich in den 1950er Jahren die sogenannte Christophorusfahrt ab. Vergleichbar der Leonhardifahrt fuhren dabei mehrere Hundert Fahrzeuge eine bestimmte Route zu Ehren des heiligen Christophorus, auch um die Grafinger Mariensäule herum, wo Fahrer und Fahrzeuge ihren Segen erhielten. Später verschwand diese Tradition jedoch, vielleicht aus Kostengründen, vermutet Bernhard Schäfer von Archiv und Museum Grafing.

Die spätmittelalterliche Grenzsäule zur Hofmark Elkofen. (Foto: Archiv Grafing/oh)

Seit mehreren Jahren bereits gebe es das Bestreben, interessante Einzelheiten zur Grafinger Stadtgeschichte wieder der Öffentlichkeit bewusst zu machen, so Schäfer. In diesem Fall durch Infotafeln, die nun, nach einer kleinen Verzögerung bei der Herstellung, eingeweiht werden konnten. Die Kosten für die Tafeln hat die Arbeitsgemeinschaft für Heimatkunde Grafing übernommen.

Als eine glückliche Fügung bezeichnet Schäfer auch den Umstand, dass gleichzeitig der verloren gegangene Schriftzug der Brücke wieder an seinen rechtmäßigen Ort zurückgebracht werden konnte: Bei Bauarbeiten sei das bronzene Schild aus den Fünfzigern entfernt und wohl mit dem Bauschutt entsorgt worden. Durch einen Zufall ist Georg Weilnböck, ehemals Leiter des Grafinger Heimatmuseums, bei einem "Tandler" aus dem Landkreis auf dieses Schild gestoßen und hat es kurzerhand erworben. Er sei immer auf der Suche nach "alten Sachen", berichtet er freudig, und bei diesem Schild wusste er gleich, dass es sich hier um etwas Wichtiges handle. Durch Schäfer habe er schließlich Gewissheit darüber erhalten - woraufhin er das Schild dem Stadtmuseum gestiftet habe.

Auch die Grafinger Bürgermeisterin, Angelika Obermayr von den Grünen, war bei der Einweihung der Tafeln anwesend und äußerte ihr Gefallen über die "schöne Schriftart", die sie an den schlichten Stil des Bauhaus und die Fünfzigerjahre erinnere. Georg Weilnböck kann sich gut vorstellen, dass Einheimische, aber auch Auswärtige sich die Brücke und die dazugehörige Tafel ansehen werden, es "bleibt doch der eine oder andere mal stehen."

Zur Tatsache, dass die Christophorusfahrt nicht mehr stattfindet, äußert Schäfer in seinem Vortrag zur Einweihung die Idee, dass man sie ja wieder einführen könnte. Doch fügt er mit einem Seitenblick auf die "grüne" Bürgermeisterin an, dass man sich dann wohl auf Fahrräder und Elektrofahrzeuge beschränken müsste. "Das machen wir nicht, mit den ganzen Autos." Da stimmt auch Obermayr nickend zu.

© SZ vom 15.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: