Grafing:Unterricht auf Stelzen

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Grafings Stadtrat entscheidet sich gegen einen Neubau der Grundschule, stattdessen wird sie erweitert. Die neuen Klassenzimmer sollen auf zwei Etagen über dem Gelände des Pausenhofs entstehen

Von Thorsten Rienth

Grafing Die Mittagsbetreuung soll aus dem Keller ins Dachgeschoss, aus den alten Zimmern sollen neue Fachräume werden und im Neubau soll Platz für moderne Klassenzimmer, Lern- und Gruppenräume entstehen. So sehen die Grundzüge des Grundschulausbaus aus, den der Grafinger Stadtrat in seiner Sitzung am Dienstag beschlossen hat, ein Neubau, er immer wieder zur Debate stand, ist damit vom Tisch. Für den Anbau sind Kosten in Höhe von 11,5 Millionen Euro s veranschlagt, knapp 6,6 Millionen Euro muss Grafing nach derzeitigem Stand selber aufbringen. Im Herbst 2017 soll es losgehen, wenn alles nach Plan läuft, sollen alle Arbeiten zwei Jahre später abgeschlossen sein.

Es war eine ungewohnte Einigkeit, mit der die Grafinger Stadträte die Entwurfspläne für den Anbau an der Grundschule kommentierten. "Sie haben da einen super Entwurf gemacht", attestierte Marlene Ottinger (Bündnis für Grafing). CSU-Stadtrat und Landtagsabgeordneter Thomas Huber sprach von einer "sehr guten Diskussionsgrundlage". Christian Einhellig, Freie Wähler-Stadtrat und Architekt, sieht darin einen "richtig gut gelungenen Plan".

Grundidee ist, den Anbau an die Nordseite der Schule anzudocken. Auf Stelzen gebaut würde er dann in den Pausenhof hineinragen, um dessen Fläche nicht zu verkleinern. Über zwei Etagen würden acht Lernbereiche geschaffen, erläuterte Architekt Alexander Müller. Die Gruppenräume dazwischen ließen sich zu größeren Lernlandschaften zusammenschließen. "Bei dem gesamten Plan geht es um ein Maximum an Flexibilität für die Zukunft - ganz unabhängig davon, wie sich die pädagogischen Konzepte in Zukunft weiterentwickeln. Das klassische Klassenzimmer, wie es wir Erwachsenen aus unserer Schulzeit kennen, hat immer mehr ausgedient."

Anders als bisher gedacht, kann der Anbau aus Gründen der Statik nicht direkt an der bestehenden Nordwand des Schulhauses beginnen. "Da müssen wir eine eigene Wand schaffen", erklärte Müller. Das habe allerdings den Charme, zwischen dem alten und neuen Gebäude eine in die Länge gezogene Aula einzuplanen. Geschickt unterkellert schaffe sie außerdem Platz für Technik- und Lagerräume.

Trotz der Zustimmung für die Pläne drehte sich die Debatte schnell um eine Grundsatzfrage. Ob es nicht günstiger wäre, anstelle eines Anbaus ein kompletten Neubau im Westen der Stadt anzupacken, wollte BfG und Grundschul-Elternbeirat wissen? Das habe man freilich durchgerechnet, sagte Bürgermeisterin Angelika Obermayr (Grüne). "Das wäre unwirtschaftlich." Außerdem benötige die Schule die neuen Räume zeitnah. Alleine die Standortsuche für eine zweite Grafinger Schule könne sich Jahre hinziehen. "Die Kinder kommen, wann sie wollen und nicht, wann wir vielleicht mit einem Neubau fertig sind", sagte Obermayr. Es sei deshalb "absolut einleuchtend, dass wir an der bisherigen Schule weitermachen", pflichtete ihr Stadtrat Einhellig bei.

Auch die BfG-Kritik, die aktuellen Planungen entsprächen gar nicht der Aufgabenstellung des Stadtrats vor zwei Jahren- wies die Verwaltung zurück. "Wir sind damals von 1 200 zusätzlichen Quadratmetern ausgegangen, inzwischen sind wir bei 1 600 Quadratmetern, weil wir das an die neuen Prognosen zur Entwicklung der Schülerzahlen angepasst haben", erklärte Yvonne Magdon, im Grafinger Rathaus zuständig für den kommunalen Hochbau. Das sei keine Themaverfehlung, sondern eine ganz normale Vorgehensweise.

Auch sonst musste sich die Verwaltung gegen allerlei Kritik aus BfG und Elternbeirat wehren. Nein, der Pausenhof werde trotz des Anbaus nicht zu klein für die Schülerzahl, stellte Obermayr klar. "Selbst bei 600 Schülern stünden rechnerisch vier Quadratmeter Pausenfläche pro Schüler zur Verfügung." Gemäß Schulbauverordnung seien drei Quadratmeter nötig.

Und nein, es könne keine Rede davon sein, dass die Schule in die Vorgehensweise nicht eingebunden sei. Regelmäßig seien Mitarbeiter des Rathauses und die Architekten mit der Rektorin der Schule beisammengesessen und hätten Einzelheiten durchgesprochen. Selbstverständlich würden bei den nun beginnenden Detailplanungen auch die Vertreter der Elternschaft eingeladen - "aber doch noch nicht dann, wenn wir mit den Architekten die geschickteste Raumaufteilung diskutieren".

Bei der Frage, ob eine Grundschule mit 600 Schülern nicht viel zu groß sei, sah sich dann sogar zweiter Bürgermeister Josef Rothmoser (CSU) genötigt einzugreifen. "Da sehe ich überhaupt kein Schreckgespenst", verwies er auf ähnlich hohe Schülerzahlen aus der Vergangenheit.

Gewissermaßen überraschend, dass der Stadtratsbeschluss für die Entwurfsplanung am Ende trotzdem fast einstimmig fiel. Lediglich CSU-Stadtrat Josef Pollinger stimmte dagegen. Er würde den Anbau gerne von den parallel laufenden Sanierungsmaßnahmen an dem alten Schulgebäude entkoppeln. Zwar könnte Grafing problemlos so vorgehen. Im Gegenzug müsste die Stadt dann aber auf über eine Million Euro staatlicher Förderung verzichten.

© SZ vom 10.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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