Grafing:Ungeliebtes Grafing

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Der Sozialbericht für den Landkreis offenbart: Senioren leben lieber woanders. Viele verlassen deshalb die Stadt

Von Anselm Schindler, Grafing

Das wird niemanden in der Grafinger Stadtverwaltung freuen: Grafing gehört zu den vier Gemeinden im Landkreis Ebersberg, die bei Senioren am unbeliebtesten ist. Dieses und andere Ergebnisse des erstmals für den Landkreis erstellten Sozialberichtes hat nun Dominik Redemann, Fachmann für Sozial- und Jugendhilfeplanung im Landratsamt, dem Grafinger Stadtrat vorgestellt. Mehr als 300 Seiten umfasst der Sozialbericht, er soll in groben Zügen die Lebensrealität von 133 000 Landkreis-Bürgern darstellen. Ein schwieriges Unterfangen, doch für Bereiche wie Wohnen, Wirtschaft, Demografie, Pflege und Bildung fördert er belastbare Eckdaten zu Tage.

Auch für die Stadt Grafing. Der Landkreis wächst und wächst. Was die Bevölkerungszunahme betrifft, ist die Region München die deutsche Boom-Region schlechthin. Und der Landkreis Ebersberg ist wiederum in der Region München, sieht man vom Landkreis München mal ab, die Gegend, in der in den letzten Jahren die meisten neuen Bürger hinzugekommen sind. Grafing ist Teil dieser Entwicklung, auch wenn das Bevölkerungswachstum hier etwas unter dem Landkreis-Schnitt liegt. Knapp 700 neue Bürger konnte Grafing zwischen 2003 und 2013 hinzugewinnen, was einem Wert von rund sechs Prozent entspricht. Ebersberg und Vaterstetten weisen ähnliche Werte auf, vor allem die Gemeinden im Norden des Landkreises haben aber stärker zugelegt, so hat Poings Bevölkerungszahl in zehn Jahren um 25 Prozent zugenommen.

Grafings Bevölkerung ist alt, gemessen am Durchschnittsalter der Landkreis-Bevölkerung. Nur rund 20 Prozent der Grafinger sind jünger als 21. Zum Vergleich: In Bruck, Moosach und Baiern sind es jeweils mehr als 25 Prozent. Weniger Kinder und Heranwachsende als in Grafing gibt es nur in Zorneding, Kirchseeon und Ebersberg. Und so leben hier auch überdurchschnittlich viele alte Menschen. Fast 21 Prozent sind jenseits der 65 Jahre. Mehr sind es nur in Zorneding und Vaterstetten. In absoluten Zahlen haben knapp 2700 Menschen in Grafing ihren 65. Geburtstag schon erlebt.

Der demografische Wandel stelle die Stadtverwaltung vor große Herausforderungen, betonte Dominik Redemann vor dem Stadtrat. Es gelte rechtzeitig genügend Pflegekräfte einzustellen sowie Betreuungsangebote und barrierefreie Beschäftigungsmöglichkeiten zu schaffen. Der Sozialbericht sei eine gute Datengrundlage für diese Maßnahmen, sagte Redemann. Senioren scheint es in anderen Gemeinden im Landkreis allerdings besser zu gefallen als in Grafing, auch das geht aus dem Sozialbericht hervor. Zwischen den Jahren 2009 und 2013 zogen rund 120 Senioren aus Grafing weg. Damit gehört Grafing zu den vier bei Senioren am wenigsten beliebten Kommunen im Landkreis. Nur aus Bruck, Moosach und Pliening zogen noch mehr ältere Menschen weg. Gemeinden wie Glonn, Zorneding und Markt Schwaben scheinen Senioren hingegen zu gefallen. In allen drei Gemeinden kamen zwischen 2009 und 2013 pro 1000 Einwohner mindestens zehn Senioren durch Umzüge hinzu.

Neben dem demografischen Wandel war es vor allem das Thema Wohnen, das Sozial- und Jugendhilfeplaner Dominik Redemann im Grafinger Stadtrat hervorhob. Ebersberg gehört seinen Ausführungen zufolge zu den zehn teuersten Landkreisen in Bayern. Innerhalb des Landkreises ist Grafing, was Grundstückspreise betrifft, die Nummer sechs. Teurer sind nur - in aufsteigender Reihenfolge - Ebersberg, Pliening, Poing, Zorneding und Vaterstetten.

Der Quadratmeterpreis ist im Grafinger Stadtgebiet inzwischen bei 610 Euro angekommen. Was auch daran liegt, dass die Bevölkerungszahl zwar wächst, aber zu wenige neue Wohnungen gebaut werden. So liegt die Wohnungsbau-Quote in Grafing mit einem Wert von 34 noch unter dem Landkreis-Durchschnitt. Die Wohnungsbauquote wird aus den Wohnungsfertigstellungen pro 10 000 Einwohnern berechnet.

Insbesondere für Menschen mit geringem oder gar keinem eigenen Einkommen ist die Wohnungsnot in Grafing ein massives Problem. Falls keine neuen Sozialwohnungen entstehen, wird sich die Lage weiter zuspitzen, so prophezeit es der Sozialbericht. Mit 1200 neuen Bürgern wird Grafing bis 2032 mehr wachsen als die meisten anderen Landkreis-Kommunen. Nur Markt Schwaben, Vaterstetten und Poing steht laut den Berechnungen des Landratsamtes ein größeres Bevölkerungswachstum bevor.

© SZ vom 17.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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