Wettbewerb Zukunftsstadt:Grafing plant 3D-Modell für Stadtentwicklung

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Das ist kein neues Computerspiel, sondern ein 3D-Modell, welches in Grafing künftig die Stadtplanung verbessern könnte. (Foto: oh)

An diesem Montagabend werden in der Stadthalle Planungen für ein umfassendes 3D-Modell der Stadt vorgestellt. Damit soll die Entwicklung künftig genauer vorhergesagt und gesteuert werden können.

Von Thorsten Rienth, Grafing

Simulierte Verkehrsströme, wenn innerstädtische Umleitungen geplant sind. Ein Solaratlas, der Dachneigungen, Sonneneinstrahlung und Schattenwürfe verrechnet und Basis für ein dezentrales aber stadtumspannendes Bürgersolarkraftwerk sein könnte. Bebauungspläne, die nicht mit zweidimensionalen Skizzen entschieden werden, sondern "3D" aus der Vogelperspektive. Noch ist das ein Zukunftsszenario. Doch Grafing schickt sich nun an, es Realität werden zu lassen.

Vehikel dafür ist der bundesweite Wettbewerb "Zukunftsstadt", den das Bundesministerium für Bildung und Forschung im vergangenen Jahr ausgerufen hatte. Fast 170 Kommunen nahmen daran teil. Das "3D-Stadtmodell", mit dem Grafing in den Wettbewerb ging, fand Anklang. Die Stadt ist eine von 52 Kommunen, die es in die nächste Runde schafften. Das hat Nachrichtenwert: "Normalerweise gelingt nur Großstädten der Sprung in diesen Fördertopf", sagt Günter Müller.

Einige tausend Euro gibt es für die Planungen

Warum Grafing es dennoch geschafft hat und nun einige tausend Euro Budget für die ersten Planungen erhalten hat, liegt mit an ihm. Er ist Senior-Chef des Grafinger Unternehmens Cadfem GmbH. Die Gesellschaft bezeichnet sich als einen der Weltmarktführer im Bereich der FEM- und CFD-Simulationen. Die FEM ist die Abkürzung für die "Finite-Elemente-Methode" und simuliert physikalische Vorgänge. CFD steht für "computational fluid dynamics", zu Deutsch: numerische Strömungsmechanik. Crash- oder Überhitzungstest, die Auswirkungen einer Sprengstoffzündung oder Festigkeitsnachweise - mit Simulation am Computer ist Müllers Unternehmen groß geworden.

Als Müller von dem Wettbewerb hörte, ging er auf Bürgermeisterin Angelika Obermayr (Grüne) zu. "Bislang ist die urbane 3D-Simulation eher in Expertenkreisen Thema", ordnet er ein. "Sie bei einer Kleinstadt anzuwenden und ganz konkret für die Stadtentwicklung einzusetzen ist eine Möglichkeit, sie aus diesem Expertenkreis herauszuholen." Dass davon auch sein Unternehmen profitieren könnte, sei kein Geheimnis. "Natürlich hat so ein Projekt auch bei uns einen gewissen Lerneffekt." Außerdem könne er dank dessen Leuchtturmcharakter womöglich weitere Kommunen davon überzeugen, ein 3D-Modell für die Stadtentwicklung aufzusetzen.

Großer Nutzen für besonders effektive Planung

Damit nennt Müller ein Stichwort, das für die Bürgermeisterin ganz zentral ist: Stadtentwicklung. Da komme auf die Stadt einiges zu, sagt sie. "Zum Jahresende 2015 hatten wir 13 579 Einwohner. Wenn wir weiterwachsen wie bisher, also ungefähr ein Prozent pro Jahr, macht das bis ins Jahr 2030 zusätzliche 2230 Einwohner aus." Gleichzeitig werde vor allem die Gruppe der über 65-Jährigen immer größer.

"Wenn wir keine neuen Flächen für Wohnen und Gewerbe ausweisen und die Innenstadt nicht baulich nachverdichten, führt das zu weiter steigenden Mieten und Immobilienpreisen." Das wiederum sei nicht im Interesse der Stadt. "Ohne neuen Wohnraum wird auch der Zuzug von jungen Familien erschwert." An diesem Punkt schließt sich für die Rathauschefin der Kreis: "Je effektiver wir planen wollen, desto größer ist der Nutzen des Modells."

Nach Ansicht von Christian Einhellig, Architekt und Grafinger Freie Wähler-Stadtrat, ist das keinesfalls Schönfärberei. "Ich würde sogar noch einen Schritt weitergehen: Je komplizierter Bauvorhaben sind, desto mehr profitiert die Stadt davon." Ausgestattet mit standardisierten Schnittstellen, ließen sich die Daten aus den Architekturbüros in die Umwelt des 3D-Modells integrieren. Seine Basis sind die "LoD2"-Daten des Landesvermessungsamts. "LoD" steht für "Level of Detail", also den Detaillierungsgrad.

Das Modell wird erst in der Stadthalle und dann online vorgestellt

Das "LoD2" bildet bereits Dachformen wie Sattel- oder Walmdächer ab. Wenn der Bauausschuss künftig also über die nächsten Schritte der Innenstadtverdichtung debattiert, könnte er dann bereits konkrete Bauvorhaben dreidimensional und aus der Vogelperspektive über den Beamer an die Leinwand werfen. "Inklusive Schattenwurf und gut sichtbare Abstandsflächen und zum Beispiel den direkten Vergleich, ob ein weiteres Geschoss vielleicht den Rahmen sprengt", beschreibt Einhellig ein Szenario. Aus einer starren 2D-Planung würde ein flexibles 3D-Herantasten.

Am Montagabend stellt Grafing die Pläne hinter dem 3D-Modell vor. Danach ist das Vorhaben auf der Internetseite der Stadt einsehbar. "Für den Bürgerbeteiligungsprozess haben wir eine Kommentarspalte eingebaut", sagt Anja Sethi-Rinkes, bei Cadfem die Leiterin des Projekts. Den ganzen März über könnten die Grafinger dort ihre Meinung zum Wachstum ihrer Stadt kundtun.

Derweil hat die Stadt die nächste, die sozusagen konkrete Phase des Förderprojekts im Visier. In die zweite Stufe kommt noch knapp die Hälfte der Kommunen aus der ersten Runde. Dann winkt Grafing eine Förderung von 200 000 Euro. Damit soll dann all das möglich sein, was jetzt noch Zukunftsmusik ist: Verkehrs- oder Hochwassersimulationen zum Beispiel, oder das Solarpotenzial auf Grafings Dächern.

Die Vorstellung des Projekts Zukunftsstadt beginnt am Montag, 29. Februar, 19.30 Uhr in der Grafinger Stadthalle.

© SZ vom 29.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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