Grafing:Teures Pflaster

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Der Stadtrat verschärft die Bedingungen für das Baugebiet südlich des Aldi-Marktes. Er weicht damit einem drohenden Gesetzeskonflikt aus. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Nicht einmal zwei Jahre, nachdem der Grafinger Stadtrat den Kriterienkatalog für das Baugebiet am "Aiblinger Anger" beschlossen hat, müssen die Bedingungen verschärft werden

Von Thorsten Rienth

GrafingEs ist eine Kehrseite des Wachstums im Landkreis: In Grafing sind die Baupreise derart schnell gestiegen, dass der Stadtrat am Dienstag nicht nur das Vertragswerk des Baugebietes "Aiblinger Anger" nachjustiert hat, sondern sich auch an den Kriterienkatalog für die Vergabe der vergünstigten Grundstücke und Wohnungen machte. Deren Bindungsfrist wird um fünf auf 20 Jahre verlängert.

Glücklich ist damit eigentlich niemand. "Es ärgert mich, dass wir zuerst ein Vertragswerk beschließen, das schon nach ein paar Monaten überholt ist", klagte CSU-Fraktionschef Max Graf von Rechberg. "Das geht mir genauso", pflichtete ihm Bürgermeisterin Angelika Obermayr (Grüne) bei. Die Arbeitszeit hätten die Mitarbeiter im Rathaus wahrlich sinnvoller verwenden können. Gleichwohl sei der Einsatz alternativlos gewesen: Mit der alten Regelung hätten Gerichte das komplette Vertragswerk für nichtig erklären können. Dann wäre in Grafing niemand in den Genuss von verbilligtem Bauland gekommen.

Das Grundproblem liegt in der Differenz zwischen verbilligtem Bauland und tatsächlichen Marktpreisen. Alleine in den beiden Jahren seit dem förmlichen Abschluss des "Aiblinger Anger"-Vertrags legten sie massiv zu. Im Jahr 2015 war Grafing noch von einem Bodenrichtwert von 650 Euro je Quadratmeter für den Jahresbeginn 2017 ausgegangen. Tatsächlich lag der Wert aber schon bei 900 Euro pro Quadratmeter. Bei den Eigentumswohnungen ist der Trend ähnlich. Ursprünglich waren für den 1. Januar 2017 4400 Euro je Quadratmeter Wohnfläche veranschlagt worden. In der Realität waren es rund 5300 Euro. Selbst dieser Preis erscheint mittlerweile eher zu niedrig angesetzt, denn zu hoch.

Hätte man die Entwicklung im Stadtrat oder der Verwaltung nicht früher wissen können? Wohl kaum, entgegnet das Grafinger Bauamt. Die offiziellen Bodenrichtwerte hinkten den Marktwerten naturgemäß hinterher.

Ein Rechenbeispiel zeigt das daraus entstehende Dilemma: Im September 2015 hatte die Stadt den Verkaufswert pro Quadratmeter Wohnfläche auf 3225 Euro festgelegt - 25 Prozent weniger, als der damalige Richtwert von 4300 Euro. Wer also über den Kriterienkatalog den Zuschlag für eine Wohnung erhält, bekommt sie 25 Prozent unter dem Marktpreis. Zumindest in der Theorie sollen sich so auch Grafinger aus niedrigen Einkommensschichten ein Eigenheim kaufen können.

Wenn - wie geschehen - die Richtwerte aber steigen, gerät das Konstrukt in Schieflage. Bliebe Grafing beim Quadratmeterpreis von 3225 Euro, würde der Preisabschlag bei einem Richtwert von 5300 Euro von schon fast 40 Prozent betragen. Das widerspreche Obermayr zufolge der Angemessenheit, die der Gesetzgeber zwischen verbilligtem und marktüblichem Quadratmeterpreis vorschreibe.

Nachdem selbst die einst festgelegten 3225 Euro je Quadratmeter nicht gerade günstig sind, wollte der Stadtrat den Sockelbetrag nicht weiter erhöhen. Deshalb passte das Gremium den Vertrag am anderen Ende an, bei der Bindungsfrist und der Sanktionsregelung. Die Bindungsfrist ist die Zeitspanne, die der Eigentümer tatsächlich in der Wohnung lebt. Die Sanktionsregelung greift, wenn er seine Wohnung vor Ablauf der Bindungsfrist weiterverkaufen möchte.

Bauamtsleiter Josef Niedermaier zufolge ist die gesetzlich geforderte Kausalität: "Je höher der Preisabschlag, desto länger die Bindungsfrist." Dem kam der Stadtrat nach und erhöhte sie von 15 auf 20 Jahren. Das bedeute nicht, dass Eigentümer ihre Wohnung innerhalb dieser Zeitspanne nicht verkaufen könnten, stellte Bürgermeisterin Obermayr klar. Die über das Einheimischenmodell erhaltene Preisvergünstigung sei dann aber entweder zurückzuerstatten oder an den nächsten Eigentümer weiterzugeben. Die Regelung verhindert, dass die Wohnungen und Häuser als Spekulationsobjekte erworben und nach kurzer Zeit gewinnbringend verkauft werden.

© SZ vom 13.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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