Grafing:Testweise 70

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Bis zur Eröffnung der Umfahrung im Herbst 2017 war es im Grafinger Ortsteil Engerloh sehr ruhig. Jetzt rauscht hier der Verkehr vorbei. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Landrat Robert Niedergesäß setzt sich für die Anwohner ein, die über den Lärm an der neuen Grafinger Ostumfahrung klagen. In einem Brief an die Regierungspräsidentin schlägt er mehrere Maßnahmen vor

Von Thorsten Rienth, Grafing

Es ist erst einmal nur ein Brief von Robert Niedergesäß an Brigitta Brunner, vom Ebersberger CSU-Landrat an die Regierungspräsidentin von Oberbayern. Doch für die Anwohner ist dieses aktuelle Schreiben aus dem Landratsamt die tatsächlich letzte Hoffnung, dass es bei ihnen in absehbarer Zeit leiser werden könnte. Denn der Grafinger Bauausschuss hatte zusätzlichen Lärmschutz an der Ostumfahrung kategorisch ausgeschlossen. Niedergesäß' zentrale Bitte: die Geschwindigkeit zumindest einmal versuchsweise zu reduzieren. Und dann erstmals Lärmmessungen vornehmen zu lassen.

Der Trassenverlauf der neuen Umgehung entspreche im Wesentlichen dem eines früheren unbefestigten Feldwegs, beschreibt Niedergesäß der Regierungspräsidentin das Problem. "Östlich der neuen Straße steigt das Gelände an. Hier befindet sich der Grafinger Ortsteil Engerloh. Die Bewohner dieser Siedlung sahen früher auf den untergeordneten Weg, nun sehen sie auf die gut ausgebaute Staatsstraße." Noch dazu liege der Ortsteil in der Hauptwindrichtung. "Früher herrschte hier absolute Ruhe und nun führt eine übergeordnete Straße relativ nahe vorbei." Die massiven Beschwerden über den neuen Lärm könne er deshalb gut nachvollziehen.

Dennoch lägen die errechneten Lärmwerte unter den Grenzwerten für Lärmschutzmaßnahmen, so der Landrat in seinem Schreiben. Das Straßenbauamt könne also nicht einfach welche anweisen. Auch die von der Stadt Grafing angeregte Geschwindigkeitsbegrenzung von 100 auf 70 Kilometer pro Stunde sei bislang keine Option gewesen. Selbst die Untere Straßenverkehrsbehörde bei ihm im Landratsamt sehe dafür keine Rechtsgrundlage, räumt Niedergesäß ein.

Dem Landrat geht es in der Angelegenheit ausdrücklich nicht um Paragrafen, wie er klar macht. Stattdessen bezieht er sich auf den sprichwörtlichen gesunden Menschenverstand. "Ich kann jeden Bürger verstehen, der die Methodik der theoretischen Durchschnittsberechnungen als intransparent und unrealistisch qualifiziert, wenn er selber unter realem Lärm leidet und beispielsweise nicht mehr schlafen kann." Worauf Niedergesäß damit anspielt: die umstrittene gesetzliche Regelung, wonach die Entscheidung von Lärmschutzmaßnahmen im Straßenbau nicht vom tatsächlich vorhandenen Pegel anhängt, sondern ausschließlich von theoretischen Berechnungsmodellen.

"Könnte es die Regierung von Oberbayern mittragen, wenn wir, vielleicht auch nur vorübergehend, eine Geschwindigkeitsbegrenzung auf 70 Kilometer pro Stunde anordnen?", fragt Niedergesäß. Letzteres würde auch die Option bieten, die Lärmwerte bei beiden Geschwindigkeiten zu messen. "Diese Möglichkeit der Klarstellung, dass unter realem Betrieb die tatsächlichen Lärmwerte bei verschiedenen Geschwindigkeiten gemessen werden können und nicht nur unter fiktiven Voraussetzungen durchschnittliche Werte berechnet und herangezogen werden, ist eine wichtige Grundlage, um einerseits Vertrauen und Transparenz zu schaffen und andererseits die richtigen Entscheidungen (Lärmschutz oder dauerhaftes Tempolimit) für die Zukunft zu treffen", betont der Landrat.

© SZ vom 06.02.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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