Grafing:Sparring an der Bar

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Blau sind die Rosenheimer Boxer, jedenfalls der Farbe nach, die Gegner aus Berlin stehen in der roten Ecke. (Foto: Hinz-Rosin)

Auf dem Grafinger Volksfest steht am Sonntag Boxen auf dem Programm: "Bavaria Rosenheim" gegen "Eintracht Berlin"

Von Anja Blum, Grafing

Irgendwie absurd und trostlos ist die Stimmung, die am Sonntagvormittag über dem Volksfestplatz in Grafing liegt. Es nieselt leicht, der Rummel, sonst ja ein Ort des lauten, bunten Vergnügens, scheint wie ausgestorben. Die Fahrgeschäfte stehen still, die Buden sind mit Rollläden verrammelt, die Schausteller haben sich in ihre Wohnwagen zurückgezogen. Und doch geht hier und da jemand über den Platz, und sie alle haben das selbe Ziel: das Festzelt, denn dort findet an diesem Sonntag ein Frühschoppen der besonderen Art statt. Auf dem Programm steht nämlich nicht bayerische Blasmusik, sondern Boxen. Festwirt Anton Kainz hat den Verein "Bavaria Rosenheim" engagiert, und dieser wiederum den "Boxring Eintracht Berlin" als Gegner eingeladen. Noch wärmen sich die Boxer im Bar-Bereich des Festzelts auf, nicht mit Schnäpsen freilich, sondern mit Dehnübungen, gekonnten Schlägen in die Luft oder hochfrequentem Seilspringen.

Doch schon bald, nach dem Einzug zum Defiliermarsch aus der Büchse, werden in diesem Städtekampf unter weiß-blauem Baldachin die Fäuste fliegen, und die Besucher drumherum Spezi, Bier und Hendl genießen. Dabei bieten die Kämpfe all das, was man vom Boxen aus dem Fernsehen kennt, live: Tänzelnde, lauernde Boxer, schwere Schläge, taumelnde, atemlose Körper, lautstarke Kommandos von den Trainern an der Seite, den Gongschlag, der die Runde beendet, kurze Pausen in der Ecke, in denen die Sportler mit Wasser und Luft versorgt und noch einmal gebrieft werden.

"Wir hatten Boxen schon vor Jahren im Programm, aber dann lange pausiert", sagt Festwirt Kainz. Erst vergangenes Jahr habe man wieder einen Kampf ausgerichtet. Das Problem: "Es gibt derzeit keinen Boxer aus der Region, mit dem sich die Leute identifizieren können." Das sei früher einmal, etwa vor 25 Jahren, noch anders gewesen, da hätten bekannte Boxer aus Kirchseeon und Haar für ein volles Haus gesorgt, erzählt Kainz. An diesem Sonntag ist das Zelt vielleicht zur Hälfte gefüllt. Der Wirt schaut sich um und sagt: "Mit so einer Veranstaltung verdient man nichts, die läuft halt so mit."

Bereits um 6.30 Uhr hat er an diesem Tag mit seinen Leuten und den Boxvereinen angefangen, das Festzelt für den Kampf vorzubereiten. Inmitten der Biergarnituren steht nun ein großer Ring, etwa drei Stunden lang werden sich die beiden Amateur-Vereine darin messen. Zehn Wertungskämpfe bekommen die Besucher zu sehen, wobei es vom Nachwuchs hinauf geht bis in die oberen Gewichtsklassen . Sogar ein Berliner und ein Bayerischer Meister sind unter den Boxern des Tages. Zwei kleinere Jungs, Kadetten im Papiergewicht, wie es in der Boxersprache heißt, dürfen nach der Pause in einem Einlagekampf, also ohne Wertung, gegeneinander antreten. Die anderen Kämpfe, die je drei Runden à drei Minuten dauern, werden von drei Kampfrichtern bewertet. Am Ende liegen die Rosenheimer - mit einem Sieg mehr - knapp vorne.

Im Publikum, das umso mehr mitfiebert, als es im Ring zur Sache geht, sitzen zwar auch ein paar Frauen und Jugendliche, doch der Männerüberschuss ist deutlich. "Ich war früher, vor zwanzig Jahren, öfter beim Boxen im Volksfestzelt und wollte das den jungen Leuten hier einfach mal zeigen", sagt ein Mann aus Straußdorf. Und zumindest beim Schwiegersohn scheint sein Plan, die Begeisterung weiterzugeben, aufzugehen: "Das ist schon was anderes, solche Kämpfe mal live zu sehen", sagt der, "aber ich muss das noch ein bisschen wirken lassen." Ein Pärchen aus Grafing, das mit dem Opa da ist, lobt die Atmosphäre: "Das ist wie Brot und Spiele." Ein anderer Vater ist mit seinen zwei Kindern zufällig im Zelt gelandet. "Wir wollten eigentlich zu den Fahrgeschäften, aber die hatten noch zu." Deswegen gibt es jetzt Mittagessen inklusive Boxkampf. Und der 15-jährige Sohn ist ganz angetan: "Das ist schon spannend und imponiert mir", sagt er. Seine 11-jährige Schwester hingegen findet die Kämpfe nicht so gut.

"Zu brutal", sagt sie und lächelt schüchtern.

© SZ vom 18.05.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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