Grafing:Rückkehr in die Eishalle

Lesezeit: 4 min

Nach vielen Monaten startet der EHC Klostersee wieder mit dem Nachwuchstraining auf dem Eis. Ein Gespräch über Corona im Vereinssport, die Grafinger Eishalle und was Kinder im Eishockey für das Leben lernen

Von Selina Schaefer, Grafing

So viel Leben gab es sicher seit Monaten nicht mehr in der Grafinger Eishalle. Nach einem unfreiwilligem Time-out durfte die Jugend des EHC Klostersee zusammen mit anderen Nachwuchseishockeyspielern aus dem Landkreis im Rahmen eines Trainingscamps endlich wieder aufs Eis. So früh wie dieses Jahr sei noch nie Eis aufgezogen worden, erklärt EHC-Nachwuchsleiter Martin Sauter im Vereinsstüberl hoch über der Eisfläche. Eine Woche eher als normalerweise, Corona sei Dank. Darunter flitzt die U9 in roten Trikots über die Eisfläche. Es mag seltsam wirken, bereits Mitte August Eis zu machen, doch dies sei wichtig für Kinder und Verein ist, erklärt Sauter, keiner wisse schließlich, ob im November wieder alles zu sei. Es gelte, die Zeit zu nutzen.

Das fünftägige Camp wird zwar vom EHC Klostersee organisiert, dabei sind aber auch Kindern anderer Vereine, etwa aus Bad Aibling, Ottobrunn oder München. Heuer nehmen auf vier Altersgruppen aufgeteilt 120 bis 130 Kinder teil, für die zwei- bis dreimal täglich Training auf dem Plan steht. Das Camp dient dazu, die Kinder durch eine Intensivwoche wieder nach der Sommerpause an den Wintersport zu gewöhnen und bietet so den perfekten Einstieg in die kurz darauf startende Saison. 18 überwiegend ehrenamtliche Trainer betreuen die Kinder, viele davon ehemalige Spieler. "Das sind auch Spieler von der ersten Mannschaft", sagt Sauter und zeigt auf die Eisfläche. "Zum Beispiel der Vitus Gleixner, der hilft da bei uns auch aus. Das ist so ein Familienbetrieb bei uns. Jeder hilft sich gegenseitig, damit die Kinder halt diesen Sport kennenlernen können", erklärt der 47-jährige Nachwuchsleiter und Trainer, der selbst 15 Jahre in der ersten Mannschaft spielte und sogar Kapitän war. "Hier macht jeder alles."

Corona habe die Nachwuchsarbeit schwer belastet: "Der Breitensport ist ja am massivsten getroffen worden. Weil der Profisport, der hat noch trainieren und spielen dürfen und das ist im Nachwuchs natürlich kein Breiten- und Leistungssport. Also bei uns war ab Oktober die Eishalle im Endeffekt dicht. Für alle." Erst im März hätte sie wieder geöffnet werden können. "Da waren aber fast alle Eisstadien in Bayern schon abgetaut - kostet ja auch Geld - und von daher haben wir sehr, sehr viel verloren. Also die Kinder haben halt nichts gelernt, das ist halt wie in der Schule", meint der Trainer. Die Kinder jetzt wieder an den Sport heranzuführen, sei nicht leicht, denn eine "fehlende Entwicklung" sei klar ersichtlich, "aber so geht's natürlich allen Vereinen."

Der Nachwuchs des EHC Klostersee bei einer Trainingspause im Grafinger Eisstadion. (Foto: Christian Endt)

Um den Trainingsausfall zu kompensieren, versuchte auch der EHC es mit Videocoaching. "Aber das ist natürlich alles trocken." Da hätte man die Kinder lediglich ein bisschen bewegen können. "Man darf das ja nicht unterschätzen", denn die Kinder seien weg von der Schule und ihren Freunden gewesen, dazu die Kontaktbeschränkungen im Sport. Auch das wichtige Lernen, wie man sich in Gruppen verhält, sei dadurch weggebrochen. "Das konnte man durch Videotraining natürlich nicht so einfach kompensieren." Bei den älteren sei zumindest Krafttraining und Athletik per Video möglich gewesen, "aber im Endeffekt konnte man nicht viel machen, das muss man einfach so sagen."

Als die Kinder dann endlich wieder in die Halle durften, erzählt Sauter, mussten sie sich auf der Tribüne umziehen, denn die Kabinen seien wegen der Vorschriften geschlossen gewesen. Aber: "Das war denen egal. Hauptsache wieder aufs Eis. Die Kinder haben gelacht und waren wieder glücklich." Da wünsche man sich schon, dass die verantwortlichen Politiker, "sich das anschauen würden, was die mit den Kindern machen. Wir haben tatsächlich ein paar Kinder, die haben einen 'Covid-Schaden', sag ich jetzt mal. Die sind nur noch daheim, im Zimmer, die wollen auch keinen Sport mehr machen, die fangen auch nicht mehr an. Die haben auch keine Lust mehr." Er habe das aus erster Hand erlebt, "Kinder, die Kontaktangst hatten", obwohl sie nicht mal auf Kontakt gespielt hätten. Andere Kinder, "die wollten nicht mehr kommen. Die hocken nur noch daheim". Eltern seien hilfesuchend zu ihnen gekommen. "Da haben wir sogar auch mal hinterhertelefoniert. Aber die Kinder sind im Kopf kaputt", meint Sauter Man müsse bedenken, "was wir als Verein ehrenamtlich leisten".

Er holt einen grünen Schnellhefter hervor: "Das da ist das Gesetz." Dazu zeigt er Erläuterungen des Bayerischen Landes-Sportverbands (BLSV), denn das Infektionsschutzgesetz allein habe nicht alle Fragen beantwortet, insbesondere am Anfang. "Wir waren da immer so auf einem schmalen Grat: Ja was ist jetzt erlaubt, was ist nicht erlaubt? Wir wollen es ja richtig machen", sagt er. Und es kämen immer neue Fragen auf. Das sei "ein riesiger Aufwand, dass wir das irgendwie hinbringen. Wir machen es allerdings gerne, weil wir die Kinder sehen, wie sie lachen." Aber das sei schon eine "hohe Belastung" und für die ganze Planung opfere er schließlich seine Freizeit. Da stellen er und andere Ehrenamtliche sich schon die Frage: Wo ist das Ende? "Jetzt gehen wir schon wieder auf die nächste Welle zu und wir hoffen halt, dass uns da ein bisschen mehr entgegengekommen wird oder dass einfach auf die Kinder mal ein bisschen mehr geschaut wird. Aber das sagen ja führende Sportler wie der Neureuther auch." Andererseits verstehe er auch die Politik, schließlich wisse keiner, welcher der richtige Weg sei. Allerdings "sollte man ein bisschen mehr Risiko zulassen." Vereinsintern habe man bereits früh begonnen über den Vereinsarzt die Trainer und ältere Spieler zu impfen, dass sei schließlich "ganz wichtig". Nur bei den Kindern sei man ob der Verantwortung vorsichtig.

Martin Sauter, Nachwuchsleiter des Grafinger Eishockey-Klubs EHC Klostersee, beim Gespräch im Vereinsstüberl. (Foto: Christian Endt)

Dass jetzt schon Eis gemacht wurde, "das kostet natürlich mehr Geld", aber man mache das schließlich "nicht nur für ein paar Eishockeyspieler", sondern auch für zahlreiche Hobbymannschaften, die Eiskunstlaufabteilung, die Shorttrackabteilung (Eisschnelllauf auf kurzer Bahn) und normalerweise auch den Publikumslauf. Es kämen nicht nur Leute aus Grafing, sondern aus dem ganzen Landkreis, wirft Marek Dobes ein, der als Trainer aushilft und sich in das Stüberl dazugesellt hat. "Wir sind die einzige Halle im Landkreis." Bei einem reichen Land wie Deutschland sollte man bei etwas, dass rund 400 Kindern und anderen Amateuren diesen Sport ermögliche, nicht zum sparen anfangen. Das sei "gut investiertes Geld".

Für die nächsten Monate heißt es auf jeden Fall abwarten und das beste hoffen. Der Spielplan für die kommende Saison steht jedenfalls schon. Aber angesichts der neuen Inzidenz-Regelungen herrscht doch eine gewisse Besorgnis, dass auch die kommende Saison wieder eine "Rumpel-Saison" wird, wie Sauter es formuliert. "Wir hoffen halt, dass unsere Regierung zusammen in Absprache mit dem BLSV eine Lösung findet, dass wir nicht wieder ausgebremst werden." Bevor er selbst runter auf das nun wieder frisch gemachte Eis geht, um die nächste Gruppe zu trainieren, fasst er zusammen: "Dass wir uns auf der Tribüne umziehen, das ist uns alles egal. Aber lasst doch die Kinder Sport treiben. Bitte."

© SZ vom 19.08.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: