Grafing:Mit einem Träger Bier aufs Volksfest

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Das extreme "Vorglühen" von Jugendlichen vor Festivitäten wird ein immer größeres Problem.

Von Barbara Mooser, Grafing

"So heftig war es schon lange nicht mehr", sagt Stefan Krinninger von der Polizei Ebersberg über den Volksfestauftakt in Grafing. Mehrmals kam es am Wochenende zu gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen Volksfestbesuchern, Gäste berichten darüber hinaus von extrem vielen schwer betrunkenen Jugendlichen. Bereits am Samstag haben sich die Jugendbeauftragten des Stadtrats und Jugendpfleger Himo Al-Kass zusammengesetzt, um über Strategien zu sprechen, wie man alles wieder in normalere Bahnen lenken könnte. Bei der Polizei hat man unterdessen einen Täter ermittelt, der allein für drei der sechs Körperverletzungsdelikte am Freitagabend verantwortlich sein soll: Es handle sich um einen polizeibekannten Mann aus dem Dachauer Raum, der offenbar gezielt zu Volksfesten fahre, um Streit zu suchen: "Veranstaltungsrandalierer" nennt die Polizei solche Täter.

Seit Jahren gilt das Grafinger Volksfest als eines, wo das Gewaltpotenzial höher ist und die Alkoholexzesse schlimmer sind als anderswo. Warum dies so ist, darüber rätseln aber auch Fachleute. Nach Einschätzung von Stefan Krinninger könnte es daran liegen, dass das Grafinger Volksfest ein besonders junges Publikum in der Altersgruppe zwischen 16 und Mitte 20 anzieht. Hier funktioniere dann die soziale Kontrolle weniger gut als in einem mehr altersgemischten Umfeld.

"Da sagt halt keiner mal: Jetzt reicht's aber." Ähnlich sieht es Himo Al-Kass: "Nicht mitzumachen, das trauen sich viele junge Leute einfach nicht." Unter Gleichaltrigen hätten sie dann schnell den Ruf der Spaßverderber. Einig sind sich beide auch darin, dass das Problem nicht allein der Alkoholkonsum im Festzelt ist - sondern vielmehr das extreme "Vorglühen". "Die kommen ja schon mit einem Träger Bier oder einer Flasche Schnaps an", sagt Stefan Krinninger.

Die Polizei hat für den Jugendschutz zu wenig Personal

Eigentlich ist dergleichen auf dem Festgelände gar nicht zugelassen. Die Volksfestverordnung regelt das ganz klar. Laut Paragraf 4 ist es verboten, auf dem Festgelände alkoholische Getränke mitzuführen. Maßkrüge oder Flaschen sind außerhalb des Gaststättenbereichs ebenfalls tabu. Darüber hinaus dürfen sich laut Paragraf 7 Kinder und Jugendliche unter 16 Jahren von 20 Uhr an nur in Begleitung eines Erziehungsberechtigten auf dem Platz aufhalten. Doch obwohl die Polizei Präsenz zeigt und in solchen Nächten bis zu zwölf Beamte statt der üblichen fünf Dienst tun, fehlen nach Angaben Krinningers oft einfach die Kapazitäten, sich auch noch umfassend um den Jugendschutz zu kümmern. Am Freitagabend etwa seien die Beamten mit den gewalttätigen Auseinandersetzungen in der ganzen Stadt ausgelastet gewesen.

Noch am Freitag hatte der Teamleiter der präventiven Jugendhilfe im Landratsamt auch den Volksfestwirt eindringlich darauf hingewiesen, dass der Jugendschutz sicherzustellen sei. " Thema war unter anderem, dass kein Alkohol an Angetrunkene ausgeschenkt werden darf und dass Ausweiskontrollen stattzufinden haben", erläutert ein Sprecher des Landratsamts. Inwieweit die Jugendlichen sich tatsächlich auf dem Volksfest betrunken haben, könne aber nicht geklärt werden.

Festwirt Anton Kainz jedenfalls betont, dass ihm und seinem Team Jugendschutz sehr wichtig sei: Bei jungen Besuchern würden Ausweise kontrolliert, wenn diese Alkohol bestellten. Darüber hinaus verweise man Jugendliche unter 18 auch pünktlich des Zeltes. Aber natürlich könne man nicht auf jeden Besucher ein Auge haben: "Wir können nicht 1000 Jugendliche erziehen, wenn es manche Eltern nicht schaffen, dass ein einziger um zehn Uhr daheim ist", sagt er. Manche Eltern zeigten auch überhaupt kein Verständnis für den Jugendschutz: "Einmal hat sich am nächsten Tag ein Vater beschwert, dass ich seinen Sohn um zehn rausgeschickt habe. Auch so was gibt's."

© SZ vom 12.05.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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