Grafing:Laut werden gegen den Bahnlärm

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Bei einem Rundgang mit dem SPD-Bundestagsabgeordneten Ewald Schurer klagen Anwohner von Grafing-Bahnhof über mangelnden Immissionsschutz

Von Konstantin Schätz, Grafing

Die Veranstaltung hatte gerade erst begonnen, da fuhr einer der roten DB-Züge ab. Das Quietschen und Schleifen überlagerte die Stimme des Bundestagsabgeordneten Ewald Schurer (SPD), der zum Busparkplatz in Grafing-Bahnhof eingeladen hatte. Obwohl einige der anwesenden Anwohner deshalb die einleitenden Worte verpasst haben dürften, zeigten sie sich dennoch zufrieden. Denn sie waren der Einladung des Sozialdemokraten gefolgt, um gegen genau diesen ohrenbetäubenden Lärm vorzugehen.

"Es gibt Züge, da hebt es dich aus dem Bett, wenn die bremsen", sagte ein Mann empört. Eine Frau, die direkt gegenüber vom Bahnhofsgelände in Grafing-Bahnhof wohnt, pflichtete ihrem Nachbarn bei: "Wir haben nachts teilweise über 70 Dezibel, wenn die Züge vorbeifahren", erklärte sie dem Sozialdemokraten. Aber auch ein Lärmschutz-Kritiker hatte sich unter die Gruppe, bestehend aus 13 Anwohnern, Ewald Schurer und der Grafinger Stadträtin Regina Offenwanger (SPD), gemischt. Dieser zweifelte den Wert ihrer Aussage an und sprach sich gegen den Bau einer Lärmschutzmauer aus: "Das letzte Mal haben die Leute diese Mauer dann abgelehnt, weil sie ihnen zu hässlich gewesen wäre." Später holte er ein Fotoalbum mit alten Dampfloks heraus: "Das war noch Lärm."

Elf Jahre ist es her, seit die Deutsche Bahn die letzten Messungen in Grafing-Bahnhof durchgeführt hat. Damals, im Jahr 2006, kam sie zu dem Schluss, dass sogenannte "aktive Lärmschutzmaßnahmen", also Verbesserungen an der Schallquelle durch beispielsweise eine Lärmschutzwand, nicht nötig seien. Passive Maßnahmen am Immissionsort - dazu gehören unter anderem Lärmschutzfenster in den Häusern - würden hingegen nach Angaben des Konzerns völlig ausreichen.

Nicht nur der Meridian und viele S-Bahnen fahren durch Grafing. Die Anwohner sind vor allem genervt von den lauten Güterzügen. (Foto: Christian Endt)

Der SPD-Politiker kritisierte diese Messungen der Bahn als "veraltet": "Der Bahnverkehr nimmt ja nicht ab, er nimmt zu." Grundsätzlich sei das seiner Ansicht nach nichts Schlechtes, da der Verkehr von der Straße auf die Schiene verlagert werden würde. Dennoch müsse der Lärmschutz an den zunehmenden Güterverkehr angepasst werden: "Durch Grafing fahren mit dem Güterverkehr deutlich über 400 Züge. Durch den Ausbau der zweiten Stammstrecke nach München wird der Zugverkehr zunehmen."

Zwar werde in Grafing das Thema Lärmschutz schon behandelt, einige Teile der Stadt würden dabei aber vernachlässigt. So ist in den Ortsteilen Elkofen und Schammach beispielsweise eine drei Meter hohe und 400 Meter lange Lärmschutzwand geplant, um die Anwohner vor dem Zuglärm zu schützen. "Wir wollen Schammach und Elkofen den Lärmschutz auf keinen Fall streitig machen. Die haben das bestimmt auch nötig", erklärte eine Anwohnerin, "aber wir fühlen uns halt von der Stadt komplett mit dem Lärm im Stich gelassen." Schließlich würden sie ja genauso unter dem Zugverkehr leiden.

Schurer unterstrich, das sei ein wichtiges Thema, mit dem er sich schon seit zehn Jahren beschäftige. Um entsprechende Maßnahmen gegen den Zuglärm umsetzen zu können, sei es wichtig, dass die Stadt Grafing in das "Lärmschutzprogramm der neuen Bundesregierung" kommt. Dazu müssen die Anwohner sich am sogenannten "Lärmaktionsplan an Haupteisenbahnstrecken des Bundes" beteiligen, entsprechende Fragebögen zum Bahnlärm hatte Schurer mitgebracht. "Den müssen so viele wie möglich eurer Nachbarn ausfüllen. Sonst landet der Lärmaktionsplan ganz unten im Stapel", mahnte der Politiker, während er die Zettel verteilte.

Gleich am Anfang des Rundgangs mit Anwohnern übertönt der Bahnlärm die Ausführungen von Ewald Schurer. (Foto: Christian Endt)

Ziel dieser Lärmaktionsplanung des Eisenbahn-Bundesamts ist es, die Lärmsituation an den Haupteisenbahnstrecken zu ermitteln und Maßnahmen zur Lärmminderung zu erarbeiten und umzusetzen. Lediglich bis zum 25. August haben die Bürger noch Zeit, sich an diesem Aktionsplan zu beteiligen. Eine Überarbeitung dieses Lärmschutzprogramms findet erst im Jahr 2023 statt. Bis dahin soll aber - so zumindest hoffen Anwohner - der Plan, alle in Deutschland fahrenden Güterwagen mit sogenannten "Flüsterbremsen" auszustatten, bereits umgesetzt sein. Nach dem verpassten Zwischenziel zweifeln aber viele daran, dass die geplante Deadline von 2020 eingehalten wird.

Informationen zum Lärmaktionsplan sind unter www.laermaktionsplanung-schiene.de abrufbar.

© SZ vom 25.08.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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