Grafing:Kleine Schritte zum großen Wurf

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Kleinere Überschwemmungen, wie hier im Bereich Kapellen- und Leonhardstraße gibt es immer wieder, größere Schäden blieben bisher aber aus. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Der Bauausschuss beschäftigt sich mit dem Grafinger Hochwasserschutz - mal wieder. Seit bald einem Jahrzehnt steht das Thema auf der Agenda, ein Ende ist nicht abzusehen

Von Thorsten Rienth, Grafing

Je nach Perspektive hat Grafing entweder Pech oder Glück. Pech, legt man die topografische Lage der Stadt zugrunde: Urtelbach und Wieshamer Bach kommen von Westen und Norden und werden im Süden zur Attel. Glück, wenn man die Historie betrachtet: Wirklich große Hochwasserschäden hat es in der Vergangenheit nicht gegeben. Am Dienstag wird im Bauausschuss die Fortschreibung der großen Hochwasserstudie vorgestellt. Grafing hofft, daraus einen konkreten Maßnahmenfahrplan für die nächsten Jahrzehnte ableiten zu können. Gelingt das, wäre dies eine Premiere seit dem Start des Großprojekts vor 13 Jahren.

Dass es schneller nicht ging, liegt weniger am Rathaus oder Stadtrat, denn an Umständen, die beide so einfach nicht beeinflussen können: Erste Studien zur Verbesserung des Hochwasserschutzes aus den Jahren 2007 und 2009 hatten der obligatorischen Überprüfung durch das Wasserwirtschaftsamt (WWA) nicht standgehalten. Es folgte die Beauftragung einer neuerlichen Studie, die sich, so empfahl es damals auch das WWA, auf zwei große Rückhaltebecken im Westen der Stadt konzentrierte. Auch, weil sich das Grafinger Wassereinzugsgebiet etwa als 30 Prozent kleiner herausstellte, als ursprünglich einmal angenommen.

Nun also liegt die Fortschreibung eben dieses Plans vor, in dem nicht nur die Ergebnisse einer neuerlichen Bodenuntersuchung eingearbeitet sind und die prognostizierten Auswirkungen der Grafinger Ostumfahrung. Sondern hinter dem auch alle wesentlichen beteiligten Entscheider stehen, also Stadt, WWA und das beauftragte Planungsbüro.

"Die große Frage ist: Wie schaffen wir es, das Hochwasser aus der Stadt zu halten, um es dann kontrolliert durch sie abfließen zu lassen", beschreibt Bürgermeisterin Angelika Obermayr (Grüne) die Stoßrichtung. Dazu braucht es die Rückhaltebecken, so genannte Retentionsflächen, die dazu dienen, Hochwasserspitzen abzufangen. Abgrenzen lassen sich die Becken beispielsweise durch kaum merkliche künstliche Dämme. Sie steigen so flach an, dass Landwirte ihre Felder nach wie vor bewirtschaften können. Quer unter den Dämmen verlaufen Rohre. Ihr Durchmesser regelt, wie viel Wasser in die nächste Retentionsfläche oder eben in den nächsten Bach abgegeben werden kann.

Selbst bei ausgearbeiteten Planungen kann Grafing aber längst nicht mit der Modellierung der Flächen beginnen. Man ist auf die Kooperation der Grundstückseigentümer angewiesen. Und die lässt, obwohl sie im Hochwasserfall Entschädigungen erhalten, aus Perspektive des Hochwasserschutzes, zu wünschen übrig. Es ist nicht lange her, da gab Bauamtsleiter Josef Niedermaier einen diplomatisch formulierten Einblick: "Wenn die Maßnahmen kategorisch abgelehnt werden, ja sogar die Erforderlichkeit angezweifelt wird, macht es das natürlich nicht leicht."

Dies dürfte die Rückhaltebecken zwar verzögern, aber wohl kaum verhindern. Denn prozesstechnisch kann die Stadt die Blockade mit einem Planfeststellungsverfahren aushebeln. Dahinter steckt ein groß angelegter Prozess, der nachweisen muss, dass die Rückhaltebecken für einen ernsthaften Hochwasserschutz unverzichtbar sind. Leute, die mit der Thematik betraut sind, attestieren der Stadt jedenfalls gute Chancen.

Bis die übergeordnete Planung richtig losgeht, rechnet Grafing noch in Zentimetern. Dem Rathaus zufolge hätten die Renaturierungsmaßnahmen am Wieshamer Bach den Abflussscheitel bei den vergangenen Hochwassern beispielsweise schon um etwa 20 Zentimeter reduziert. Und während der Sitzung am Dienstag könnte die nächste Zentimetermaßnahme folgen: Als vorgezogene Teilmaßnahme möge der Bauausschuss ein kleines Rückhaltebecken zwischen dem Ebersberger "Roten Weiher" und Wiesham beschließen. Auch das soll wieder ein paar Zentimeter bringen. Beginn der Sitzung ist um 17 Uhr.

© SZ vom 26.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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