Grafing:Jazz aus dem Bauch

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Frank Haschler von der Jazzinitiative an den Percussions. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

"Latin Funk Factory" mischt das Publikum im Grafinger Turm auf

Von Claus Regnault, Grafing

Funk: Das Wort stammt aus der Umgangssprache der Schwarzamerikaner und bezeichnet unter anderem den aggressiven Geruch menschlicher Ausdünstungen wie etwa den Schweiß des Baumwollarbeiters oder den Dunst der Liebe. Darüber hinaus jedoch ist der Ausdruck zur Bezeichnung eines sehr körperlich generierten Jazzstils geworden, einer Musik, die ohne Umwege direkt in den Bauch zielt - wie zum Beispiel bei der Latin Funk Factory, einer achtköpfigen Combo aus München, die beim "Jazz im Turm" in Grafing ein sehr zahlreich erschienenes Publikum aufmischte. Sowohl den Musikern als auch den Zuhörern bereitete die Musik mit ihrer Nähe zum Vulgären hör- und sichtbare Freude.

So wurde diese musikalische Begegnung zu einem mitreißenden, im wahrsten Sinne des Wortes fetzigen Erlebnis. Denn das funkige Element prägte den ganzen Set so überwiegend, dass die mildere Seite der Combo praktisch nur in zwei südamerikanischen Titeln, "Guataca City" von Pacito D'Rivera und "Affirmation" von José Feliciano, zur Geltung kam. Das hinderte den Salsa- und Samba-geeichten Percussionisten Frank Haschler aus Grafing, Mitinitiator der Jazz-Reihe, indes nicht daran, mit seinem Spiel auch die eher souligen Titel virtuos zu würzen.

Funk und Soul sind in der Jazzgeschichte, beginnend in den fünfziger Jahren des vorigen Jahrhunderts, eine nahezu dauerhafte Verbindung eingegangen. Über den Soul kam auch das religiöse Element des Gospelgesanges in den Funk, wodurch dieser zwar erdiger, aber nicht unbedingt religiöser wurde. Denn tragendes Element des Funk ist der dominierende harte Beat, und hier war der Schlagzeuger der Gruppe, Reinhold Kampferseck, selbst Legende der legendären Rockgruppe Zauberberg, ganz in seinem Element - anfangs aus akustischen Gründen von der Bläsergruppe angestachelt, etwas sehr laut, bis er sich mit virtuos fließendem Spiel in die Begleiterrolle einfand.

Alle Musiker der Combo waren von gleich hoher Qualität. Ein faszinierendes Duell lieferte sich der etwas gelassen improvisierende Tenorist Elmar Krick mit dem hörbar aufgeheizten Altsaxofonisten Walter Ruckdeschel in Eddy Harris' "Duck time". Der Chef der Gruppe, Posaunist Werner Riedel, ebenfalls mit Zauberberg-Vergangenheit, steuerte Fundamentales bei, desgleichen der E-Bassist Martin "Tack" Thalhammer und der Keyboarder Andreas Wimmer, der stilgemäß ein Syntiepult vor sein Klavierspiel geschaltet hatte. Die herausragende Stimme jedoch gehörte an diesem Abend der E-Gitarre Peter Satzgers, der ein Intro zu dem Titel "Tune 88" von Jeff Corber von derart rhythmisch-swingender Gestalt hinlegte, dass man am liebsten statt des Stückes dieses Intro wiederholt gehört hätte. Kein Wunder, dass diese Vorgabe die Band zum Kochen brachte.

Um die Regionalität des Abends zu charakterisieren, sei erwähnt, dass die Musiker nicht nur aus Grafing und München, sondern auch aus Hohenbrunn, Putzbrunn, Landshut und Oberpframmern angereist waren. Zur Jamsession war gar eine komplette Jugendgruppe aus Neubiberg gekommen - so dass an diesem Abend insgesamt 25 Amateurmusiker auf einen Jamsession-Gig warteten. Das spricht nicht nur für die Lebendigkeit des Jazz, sondern auch für die Anziehungskraft dieser Jazzinitiative.

© SZ vom 29.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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