Grafing:Hülle aus bayerischem Humor

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Sebastian Hagengruber, Eva Petzenhauser und Tom Bauer präsentieren in der Grafinger Turmstube eine Kleinkunstversion des gefeierten Musicals. (Foto: Endt)

Musical "Oschnputtl" in Grafings Turmstube

Von Korbinian Eisenberger, Grafing

Wenn ein Ensemble seit vier Jahren vor ausverkauften Hallen spielt, dann muss es beim Publikum einen Nerv getroffen haben - so wie das Erfolgsstück des Kabarettautoren Tom Bauer. Am Donnerstagabend drängten sich die Gäste zu einer Miniaturausgabe seines gefeierten Musicals "Oschnputtl - das Erbsenkabarett" um die Tische in der Turmstube der Grafinger Stadthalle. Anders als in der Vollversion präsentierte Bauer das Stück auf der engen Bühne im Kleinkunststil mit lediglich zwei seiner 20 Ensemble-Kollegen: Eva Petzenhauser, Sebastian Hagengruber und Bauer verpackten das Märchen der Gebrüder Grimm für die etwa 50 Zuschauer in für Märchen ungewohntes sprachliches Gewand. Nicht weniger - aber auch nicht mehr.

Der Landauer Bauer hat das komplette Märchen in bairischer Sprache adaptiert und dem Literaturklassiker ein freches Libretto verpasst. Oschnputtl, die einzige Tochter des Erbsentandlers Quirin Puttl, lebt zufrieden mit ihrem Vater zusammen - auf dem Speiseplan stehen Erbsen in allen möglichen Variationen. Da die Mutter verstorben ist, beschließt Oschnputtl eine Heiratsannonce für ihren Papa aufzugeben. "Wenn ich's richtig seh', hamma jetztad a WG", bilanziert sie noch zuversichtlich, als die Wahl des Vaters auf die vollbusige Beißzange Frau Stief und ihre zwei herrschsüchtigen Töchter fällt. Fortan nimmt das Schicksal seinen Lauf.

Bauers Geschichte spielt in einer modernen Zeit, Oschnputtls Stiefschwestern kauen Kaugummi und lassen sich von ihr Latte Macchiato kredenzen. Besonders frohlockten die Gäste in der Turmstube immer dann, wenn Penzberger mit hochgezogenen Augenbrauen und Kulleraugen-Blick in die Rolle der naiven Handwerker-Azubi-Frau schlüpfte - Bauers Interpretation eines Täubchens, das dem Aschenputtel schließlich zum Liebesglück mit dem Prinzen verhilft.

Petzenhauser, Radiohörern eines Münchner Senders besser bekannt als Tschackeline Nullinger, ist ein schauspielerisches Energiebündel, wechselt genial zwischen drei Rollen, indem sie mit Dialekten, Stimmhöhen, Körperhaltung und Mimik scheinbar mühelos jongliert. Die Bühnenpräsenz der Oberpöringerin ist schwer zu toppen, weder von Klavierbegleiter Bauer noch von Hagengruber, dem dialektsicheren Niederbayern an ihrer Seite. Wenn Petzenhauser als keck-freches Oschnputtl Komplimente mit dem Hinweis abtut, "es is scho sehr spät, i glaab mei Bus gäd", hat sie sowohl das Publikum als auch ihren Prinz fest im Griff.

Offen bleibt, warum in einer modernen Märcheninterpretation Prinzen noch zu Schlossbällen laden. In "Oschnputtl" wird zwar telefoniert, werden Fließen gelegt und Leberkäs-Semmeln verzehrt - und doch ist der Transfer ins moderne Bayern unvollkommen. Bauers Stück lässt wie im Original Hülsenfrüchte aus Asche sortieren, der Höhepunkt findet auch hier in einem Schloss beim Prinzenball statt. Dem als Erbsenkabarett ausgelobten Stück gelingt es inhaltlich nicht, sich von der Ursprungsvariante zu emanzipieren und eine moderne Botschaft zu vermitteln. Wer nach einem gesellschafts-politischen Aha-Effekt sucht, den Kabarett bisweilen leistet, wird in "Oschnputtl" nicht fündig.

Der Anspruch des Musicals beschränkt sich erfolgreich auf Unterhaltung: Das Trio überzeugt durch penibel abgestimmte Reim-Rhythmen, mit Wortwitz und Klamauk - etwa als der Prinz auf Suche nach der vermissten Schuhträgerin das Publikum mit "habedere, is do wer? Zoagt's moi eire Hax'n her!" zum Johlen bringt. "Oschnputtl" verpasst einer 300 Jahre alten Märchengeschichte eine Hülle aus bayerischen Humor, lässt den Kern aber unangetastet.

© SZ vom 21.05.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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