Grafing:Hörenswerter Höhenflug

Youngsters Music Club Grafing

Der "Youngsters Music Club" von Josef Ametsbichler, hier mit Banjo, vor dem Motiv des Covers.

(Foto: Lukas Lehner/oh)

Der Grafinger Jazzmusiker Josef Ametsbichler hat eine Band aus Musikschülern gegründet. Nun veröffentlicht der "Youngsters Music Club" seine erste CD.

Von Rita Baedeker, Grafing

Das gelbe Propellerflugzeug auf dem Cover der CD "Flyin' Away" hat seine besten Tage hinter sich. Die russische Maschine vom Typ Antonow, die hier auf einem bayerischen Acker ihre letzte Ruhestätte gefunden hat, entdeckte der Grafinger Jazzmusiker und Gitarrist Josef Ametsbichler auf dem Grundstück eines Antiquitätenhändlers in Bad Aibling. "Ich bin ein Schiffs- und Flugzeugnarr", sagt er. "Außerdem hat es den Kindern Spaß gemacht, vor so einem Gerät zu posieren."

Die Kinder, das sind die Mitglieder des Youngsters Music Club, einer Formation, die Ametsbichler vor zwei Jahren mit Schülern und Schülerinnen der Musikschule Grafing gegründet hat. Aufgenommen wurde die Scheibe von beachtlichem klanglichen Niveau Ende November vergangenen Jahres im Ebersberger Klosterbauhof. Die Arrangements schrieb Ametsbichler, das Stück "All of me" stammt von dem Saxofonisten Moritz Fischer aus Frauenneuharting, der auf der CD die Bläserstimme von Altsaxofonistin Christina Heindl verstärkt. "Mir gefällt der Jazz, weil wir eine peppige Gruppe sind", sagt die 14-Jährige. Schön sei, dass man eigene Sachen einbringen und ein Lied auch mal schneller oder langsamer spielen könne. Josef Ametsbichler sei zwar ein Lehrer, der auch auf den Tisch hauen könne, aber er gehe auf Wünsche ein. Größte Schwierigkeit für Christina als einziger Bläserin sei, beim Spielen auf alle anderen Instrumente zu achten. Zum Beispiel auf den Gitarristen: Phillip Gutzki, 14 Jahre alt und Schüler von Ametsbichler. "Rock mag ich nicht so, sonst gefällt mir jede Art von Musik", sagt der Grafinger Gymnasiast, der bereits in der Grundschule mit klassischer Gitarre angefangen hat. Am besten gefalle ihm die jüdische Klezmer-Musik, berichtet er

Zu den Saitenkünstlern gehört auch Kontrabassist Frederic Prats. Der 17-Jährige ist der älteste in der Formation. Erst seit drei Jahren spielt er dieses Instrument. Wie Phillip ist er durch Ametsbichler zu der Band gestoßen. Zur Jazzmusik hatte er vorher kaum Kontakt, mochte die Musikrichtung aber. Von den Stücken auf der CD gefällt ihm das romantische Klezmerstück "Sheijn wie die Lewone" am besten. "Das hat schöne Stellen für den Kontrabass." An dem gemeinsamen Projekt schätzt er, dass sich die Mitglieder so gut verstehen. "Wir sind alle schon ziemlich reif", erklärt er.

Auch die Jüngste in der Formation, die 13 Jahre alte Drummerin Vera Gaigl, klingt fast schon wie ein Profi. Seit sie fünf ist, hat sie Schlagzeugunterricht. Auch schon vorher habe sie auf allem, was sich dazu eignete, herumgetrommelt, erzählt sie. "Weil es Spaß machte, und um meinen Bruder zu nerven." Mit zwölf fand sie das Ganze dann langweilig: "Ich konnte nichts Neues mehr lernen, da entdeckte ich die Annonce von Josef Ametsbichler im Internet und so kam ich zur Band." Das Tolle am Jazz und am Schlagzeug sei, dass sie frei spielen und improvisieren könne, ganz ohne Noten. "Ich höre mir an, was die anderen spielen, dann entscheide ich, was ich mache. Das finde ich cool." Vera, die auf dem Cover eine Fliegerbrille trägt, ist auch musikalisch eine Überfliegerin. Klavier hat sie sich selbst beigebracht, auch Waldhorn hat sie mal ausprobiert. "Den Swing habe ich aber erst hier gelernt."

Für ihn sei entscheidend, dass junge Leute auch andere Musikstile als die Klassik kennenlernen, sagt Ametsbichler. Vor fünf Jahren startete er das erste Projekt dieser Art. Aber erst vor einem Jahr habe sich eine feste Formation gebildet. "Kontinuität ist schon wichtig, weil an eine CD, da muss man schon eine Zeitlang hinfeilen und basteln", sagt der Musiker. Bei der Stückeauswahl kam es Ametsbichler auch auf den Stilmix an. Jazz, Pop, Klezmer, Musik der Sinti, Samba, Blues und arabische Klänge wechseln einander ab. Ametsbichler kann dabei aus seinem Repertoire-Schatz schöpfen. "Ich habe in meinem Leben alles gespielt, was man spielen kann", sagt er. Der Grafinger war Mitbegründer der Band Klezmorim und hat sich in Rumänien mit der Musiktradition der Sinti und Roma beschäftigt, die ihn besonders fasziniert.

Zehn Stücke sind es, bei denen die jungen Musiker ihre interpretatorischen Fähigkeiten ausspielen können. Beim Klezmerlied "Shejin wie die Lewone" ("schön wie der Vollmond") und beim traditionellen Stück "Csaj Shukarje" ("süßer Tee") aus Bulgarien, das ebenfalls von der Liebe handelt. Und auch der jüdische Tanz "Sher" ist eine Herausforderung. Hier hat die Band drei verschiedene Tempi zu spielen, muss sich steigern und die Geschwindigkeit wieder langsam zurückdrehen. "Toll, wie die das hinbekommen haben", lobt Ametsbichler seine Jazz-Azubis. Ein weiterer Titel handelt von "Missirlou", was auf ägyptisch Mädchen bedeutet. Aber auch der Meister selbst hat eine Komposition beigesteuert: "Jazz". Eine Samba, ein lateinamerikanisches Lied und der ehemalige Hit "Boots are made for walking", hier für Jazzbesetzung arrangiert, sowie ein American Blues vervollständigen die CD. Mit der ihm eigenen Begeisterung hat Ametsbichler den Jugendlichen musikalische Horizonte eröffnet. "Ich wollte zeigen, wie lebendig diese Musik ist, wie schön, spannend, kreativ und frei ein Solo sein kann", sagt er in schwärmerischem Ton. "Anhör-Unterricht" nennt er das.

Auch auf ein paar Auftritte - zur Eröffnung des Alten Speichers und bei der Jahreshauptversammlung der Kreissparkasse - kann YMC stolz sein. Demnächst wird die Band am 21. März bei den "Jazz Stories" in Markt Schwaben ihr Können zeigen. Die nächste CD ist auch schon in Arbeit. Sie wird "On the Road" heißen. Dieses Mal wird kein Flugzeug das Cover schmücken, sondern ein paar klapprige Fahrräder werden versinnbildlichen, dass es weiter vorwärts geht, zumindest musikalisch.

Die CD kann man auch kaufen. Adresse: josef-ametsbichler@t-online.de

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