Grafing:Heimat aus der Nähe betrachtet

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Auf dem Einbandtitel des Grafinger Geschichtsbuches ist eine Krippe des Künstlers Alfred Schöpffe zu sehen. (Foto: Bernhard Schäfer)

Bernhard Schäfer präsentiert Grafinger Geschichtsbuch

Von Rita Baedeker, Grafing

Wer "Gotteslästerung" für ein mildes Vergehen hält, wer glaubt, wertvolle Wandmalereien gebe es nur in berühmten Kathedralen, und wer nicht weiß, was ein Wasenmeister ist, der sollte sich in den soeben erschienenen Band "Neues aus der Geschichte von Grafing und Umgebung" in der Reihe "Der Grafinger Wappenbär" vertiefen. Herausgeber Bernhard Schäfer, Grafinger Archiv- und Museumsleiter, hat in dem 230 Seiten umfassenden Buch Vorträge zu Themen aus Kunst, Geschichte, Brauchtum und Familienforschung zusammengetragen. Am Sonntag, 13. Dezember, 11 Uhr, wird das Werk im Museum der Stadt Grafing präsentiert.

Den Reigen der Beiträge eröffnet der Wasserburger Kunsthistoriker Gerald Dobler, der die Wandmalereien des frühen 15. Jahrhunderts in Grafing, Grassau, Högling, Haging und Mietraching untersucht und miteinander verglichen hat - mit einer erstaunlichen Erkenntnis. Der Familien- und Ortsgeschichtsforscher Toni Stürzer klärt auf über die Wasenmeister von Öxing, Leute also, deren Aufgabe es war, Tierkadaver zu beseitigen und deshalb von den Bürgern gemieden wurden. In Öxing, so fand Stürzer heraus, befand sich die Abdecker-Werkstatt elf Generationen lang in Händen derselben Familie.

Drastisch muten die Schilderungen des Historikers Georg Weilnböck aus Grafing an, der vom bedauernswerten Wirt Paulus Huber berichtet, der 1711 wegen Gotteslästerung hingerichtet wurde. Zu dieser Zeit gab es im Marktflecken Grafing 75 Haushalte. Paulus Huber, verheiratet mit der Witwe des Blasiwirts, geriet wegen hoher Schulden in ernste Schwierigkeiten, stritt mit der Obrigkeit, fühlte sich ungerecht behandelt. In einem Wutanfall riss er das Kreuz vom Herrgottswinkel herab und zerschlug es auf dem Tisch - er wollte ein Gottesurteil, es war sein Todesurteil.

In einem weiteren Kapitel untersuchte der Germeringer Familienforscher Sebastian Riepertinger die Geschichte der Zimmerer- und Baumeisterfamilie Rieperdinger in Grafing. Bernhard Schäfer hat jüdisches Leben und den Antisemitismus in der Zeit von 1933 bis 1945 in Grafing erforscht. Gänsehaut bekommt man, wenn man den im Buch abgedruckten Aufruf der Kampfgemeinschaft der NSDAP-Ortsgruppe Ebersberg betrachtet, der mit der Schlagzeile "Lügenfeldzug" überschrieben ist. "Ungeachtet der nur wenigen angetroffenen Fälle", schreibt Schäfer im Vorwort, "lassen die Nachforschungen die ganze Dimension des verbrecherischen Umgangs des NS-Regimes mit den Juden erkennen". Schließlich rekapituliert Schäfer das Eisenbahnunglück am 16. Juli 1945 zwischen Aßling und Oberelkofen mit vielen Toten, und Monika Kraemer befasst sich mit schönen Dingen - mit Alfred Schöpffe und seiner religiösen Kunst.

Der Band ist erschienen im Verlag Lutz Garnies in Haar, ISBN: 978-3-926163-90-5

© SZ vom 10.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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