Grafing:Glücklicher Moment

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Das Nina Plotzki Sextett hat eine würdige Besetzung für die Premiere von Jazz im Turm und ist ein Publikumsmagnet. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Eine spektakuläre Combo weiht die neue Heimstatt der Grafinger Jazzreihe ein. Der Abend gilt als positive Prognose für kommende Ereignisse im Turm

Von Claus Regnault, Grafing

Der Turm bebte unter dem Ansturm der Fans und der Gewalt jener Musik, die seit Donnerstagabend wieder eine Heimstatt des Jazz in Grafing hat. Die Ausrichtung der Eröffnungsparty hatte man Nina Plotzki anvertraut, zu Recht, denn sie ist als Jazzsängerin inzwischen überregional gefragt und Anziehungspunkt nicht nur des hiesigen Publikums, sondern auch Magnet für die Größen der Jazzzunft, die bereitwillig ihrem Ruf folgen.

Es war also ihr Abend und sie hatte sich mit einer spektakulären Combo ausgestattet: Claus Raible am Piano, Peter Tuscher, Trompete, Tom Reinbrecht, Altsax, Ernst Techel, Bass, und Jay Lateef an den Drums, eine sehr nahe an die Qualität des fantastischen Cannonball Adderley Quintetts heranspielende Gruppe, die zusammen mit Nina Plotzki den ersten Teil des Abends bestritt. Sie hatte eine legendäre LP aus dem Jahre 1961 zum Programm ihres Auftritts gemacht, damals begleitete das Cannonball Adderley Quintett die noch sehr junge Nancy Wilson in sechs Songs der nicht ganz üblichen Art; und Nancy Wilson mit ihrer mädchenhaft hellen, zwischen Zärtlichkeit und Frechheit sich bewegenden Stimme, ersang sich einen Welterfolg.

Natürlich wurden diese sechs Songs in der engagierten Interpretation durch die Plotzki und ihre sehr frauliche und mezzodunkle Stimme charakterlich verändert, vor allem die Balladen, Ninas Plotzkis Stärke, gerieten berührend, vor allem die wunderbaren "Wish I knew" und "The Maskerade is over". Die Begleitcombo gab ihr Bestes, Raible wie meist im letzteren Titel grandios und Reinbrecht in der musikalischen Rolle des Cannonball schlechthin überwältigend.

Nach diesem Eröffnungsteil hatten sich Musiker und Publikum die Pause wohl verdient; wollten den sehr anheimelnden, sich wegen noch ungelöster Lüftungsprobleme aufgeheizten Saal ins Freie verlassen. Die sogenannte "Session" mit teilweise einsteigenden einheimischen Jazzern wurde zum zweiten Ereignis des Abends, als im vehementen Bebop einer Combo aus Claus Raible, Reinbrecht, Tuscher und dem aus Freising zugewanderten Klaus Koch (Tenorsax) der Titel "Jeannine" von Adderley zeigte, was Jazz in seinen glücklichsten Momenten sein kann.

Danach das Quartett der Jungen mit dem 16-jährigen Niklas Röver, Piano, und Paul Brädle, Gitarre, begleitet vom vergleichsweise der Seniorriege angehörigen Rick Hollander am Schlagzeug. Der 22-jährige Brädle ist noch in der Entwicklung, aber dies vielversprechend. Röver, den Grafingern aus regelmäßigen Auftritten vertraut, zeigte in einer ausgedehnten Improvisation über "Ornithology", dass er zunehmend einer klug disponierten Improvisationssprache mächtig ist.

Spät am Abend trat dann die bezaubernde Anna Lauvergnac auf, deren nahezu vulkanische Vortragweise eine Art Gegenstimme zu der von Nina Plotzki darstellt. Ihre Ballade "Darn that dream" aus dem Jahr 1939 und vor allem das aggressiv fordernde "Love for sale" waren ein weiterer Höhepunkt des Abends. Aber dessen Ende nahm wieder Nina Plotzki in die Obhut ihrer Stimme. Sie besingt mit "Happy Talk" die herrlich gelöste Stimmung des Abends und zieht mit der berührenden Ballade "The very thought of you" im Verein mit dem Trompeten-Urgestein Tuscher das Résumé, dass dieser Abend unvergesslich bleiben wird. Alles in Allem: Ein fantastischer Jazzabend und eine positive Prognose für die kommenden Ereignisse im Turm.

© SZ vom 26.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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