Grafing:Geschenke des Himmels

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Der Grafinger Fotoclub "Blende 85567" zeigt von Donnerstag an im Grafinger Heimatmuseum die Ausstellung "Augenblicke". Neben Porträts von Mensch und Tier sind eindrucksvolle Landschafts- und Naturimpressionen zu sehen

Von Rita Baedeker, Grafing

Den "Augenblick" genießen, im Augenblick leben, den Augenblick festhalten... Der Begriff hat mehrere Bedeutungen und Ebenen. Gemeint ist der Blick, der sich auf die Welt, auf Menschen, Tiere, Landschaften richtet, aber auch die kurze Zeitspanne, die es dauert, ein Bild, eine Situation zu erfassen. Schiller hat dazu passende Worte gefunden: "Es ist eine Verwandtschaft zwischen den glücklichen Gedanken und den Gaben des Augenblicks: beide fallen vom Himmel."

Solche Himmelgeschenke aufgespürt und gesammelt haben auf insgesamt 74 ausgestellten Werken die 26 Mitglieder des Grafinger Fotoclubs "Blende 85567". Im Museum der Stadt zeigen sie von dieser Woche an ihre interessanten Interpretationen. Darunter sind Porträts von Mensch und Tier mit ihren spontanen Gefühlsäußerungen, aber auch Landschaftsaufnahmen, Architekturfotos oder Impressionen etwa eines Feuerwerks, die sich nur für einen Augenblick gezeigt haben. Auch Spiegelungen, Seifenblasen, Wetterphänomene, Momente voller Situationskomik und andere Dinge mehr sind Gegenstand dieser schönen Ausstellung, während der ergänzend neun verschiedene Überblendschauen zu Reise- und Naturthemen gezeigt werden.

Ein stimmiges Beispiel für einen unwiederbringlichen Augenblick ist die Fotoarbeit "Abflug". Das Bild dokumentiert den Moment, in dem sich der Flugsamen des Drüsigen Weidenröschens aus der Kapsel löst und zum Davonschweben anhebt. Johannes Schmieg, der Fotograf, hat in seinem Garten lange auf diesen Augenblick gewartet, hat die Pflanze tagelang beobachtet, bevor er dieses große Ereignis in dieser von den meisten Menschen unbeachteten kleinen Welt festhalten konnte. Manchmal kommt es eben auf die Sekunde an.

Die Natur mit ihren Geheimnissen ist eine unerschöpfliche Quelle besonderer Augenblicke. Ob es das Wetter ist mit seinen im letzten Licht der untergehenden Sonne dramatischen Wolkenformationen; oder die Abermillionen Tröpfchen, die unter den Strahlen der Sonne im herabstürzenden Wasser der Victoria-Fälle in Simbabwe einen Regenbogen zaubern (Ulrike Hohnheiser); oder der Moment, in dem ein kleines, zwei Kondensstreifen hinter sich herziehendes Flugzeug den am Firmament aufgehenden Vollmond kreuzt und dem Fotografen Reiner Hulla ein Motiv liefert, das die Fantasie beflügelt: Die Bilder zeigen, dass es trotz digitaler Technik und schier grenzenloser Möglichkeiten, Fotos am Bildschirm zu bearbeiten, auf den richtigen Blick, die Beobachtungsgabe und vor allem die Geduld des Fotografen ankommt. Wer bloß draufhält aufs Motiv - und sei es noch so spektakulär - wird solche Ergebnisse niemals erzielen.

Natürlich hat auch der unerwartete "Schnappschuss" seinen Charme. Den Gesichtsausdruck des Jungen auf der Rutschbahn, Sohn der Fotografin, das Gesicht ein Spiegel von Lust und Spannung, kann man nicht stellen oder planen. Hier hat die Mama, Nancy Thomas, im richtigen Augenblick den Auslöser betätigt.

Wer besondere Augenblicke einfangen will, muss aufmerksam durch die Welt gehen. So wie Jürgen Bochynek, der den einer riesigen Tierklaue ähnlichen Stamm eines gigantischen Redwood-Baums fotografiert hat, daneben, winzig klein im Vergleich, ein Mensch. Zu philosophischen Gedanken inspiriert auch ein Motiv, auf dem die Quadriga auf dem Brandenburger Tor in Berlin in einer Seifenblase zu schwimmen scheint. "Monumentales sehr vergänglich" hat Martina Speckmaier die Arbeit genannt. Dass eine Fotografie auch zur Malerei werden kann, dokumentiert Jürgen Bochynek mit seinem Venedigbild. Dazu hat er die Kamera während des Auslösens schnell von oben nach unten gezogen, sodass sich die Bauten in vertikale Linien aufzulösen scheinen. Dennoch zeigt das Bild unverkennbar die Lagunenstadt.

Die Ausstellung ist thematisch gegliedert. In den letzten beiden Zimmern gibt die Tierwelt den Ton an. Hier ging es auch darum, Momente erzählerisch zu interpretieren, so wie bei den drei Kofferfischen im Aquarium, die mit jeweils geöffnetem Maul nebeneinander schwimmend wirken, als sängen sie im Chor. "Liederabend" hat Johannes Schmieg die Szene genannt, die damit ihr humoristisches Potenzial offenbart. Drei verschiedene Tiere, die sich in der Wüste Namib offenbar friedlich eine Mahlzeit teilen, hat Anke Heinrich entdeckt. Und aus der Dreiergruppe Kuh, Hirte und Baum hat Anna Singer ein scherenschnittartiges Motiv mit dem Titel "Melkzeit" geschaffen.

Schließlich ist da noch eine Arbeit, die nur dann als "Augenblick" durchgeht, wenn man in intergalaktischen Dimensionen denkt. Axel Pelka hat dieses Foto, das ein Teleskop in der Wüste von Atacama aufgenommen haben könnte, "Flug zu meinem Heimatplaneten" genannt. Man sieht Himmelskörper, Asteroidenbrocken, Sternennebel. Ein Augenblick im fernen Kosmos? Millionen Jahre her? Nun ja. Der von zahllosen Sternen erhellte Himmel, das ist der Staub auf einer Handyhülle; und die Himmelskörper sind in Wahrheit Abbilder von einem Schneehaufen, einem Blumentopf, einem rostigen Nagel und anderen Haushaltsgeräten, die gerade greifbar waren. Da sieht man es wieder: Wir alle und alle Materie - nichts weiter als Sternenstaub, ein Wimpernschlag der Ewigkeit. Joachim Ringelnatz hat es in Worte gefasst: "Überall ist Wunderland. Überall ist Leben. Bei meiner Tante im Strumpfband. Wie irgendwo daneben."

Vernissage der Ausstellung "Augenblicke" des Grafinger Fotoclubs "Blende 85567 e.V." im Museum Grafing ist am Donnerstag, 9. März, 19.30 bis 21.30 Uhr. Bis 9. April, Sonntag, 14 bis 16, Donnerstag 18 bis 20 Uhr, Sonderöffnungszeiten sind Samstag, 11. März, 11 bis 18 Uhr, Sonntag, 10. März, 10 bis 18 Uhr, Samstag, 18. März, 14 bis 18 Uhr, und Sonntag, 19. März, 10 bis 18 Uhr. Der Eintritt ist frei.

© SZ vom 08.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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