Grafing:Furios und fabelhaft

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Esther Schöpf (Violine), Klaus Kämper (Violoncello) und Norbert Groh (Klavier) lassen beim Grafinger Rathauskonzert keine Wünsche offen. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Das "Schwabinger Klaviertrio" überzeugt beim Rathauskonzert in Grafing

Von Peter Kees, Grafing

D-S-C-H sind die Initialen von Dmitri Schostakowitsch, und ähnlich wie Bach hat er sie als charakteristische Tonfolge für sein musikalisches Schaffen verwendet, D-Es-C-H. Das Schwabinger Klaviertrio spielte beim Grafinger Rathauskonzert Schostakowitschs Klaviertrio op. 8, in dem das Motiv auftaucht. Doch seinen Anfang nahm der Abend ein Jahrhundert früher, mit Musik der späten Romantik. Johannes Brahms erstes Klaviertrio H-Dur, ebenfalls ein op. 8, erklang in der revidierten Fassung von 1889. Als 21-Jähriger hatte es Brahms komponiert, mit 53 aus dem Frühwerk eine Spätfassung erstellt. Brahms gilt als der Vollender der klassischen Form, war er doch ein Verehrer von Vergangenheit. Mit seiner musikalischen Sprache überwindet allerdings die Form.

Brahms erstes Klaviertrio beginnt mit einem kantilenen Hauptthema, einer herrlichen Melodie im Klavier, gefolgt im Violoncello. Ein wahrlich genialer Einfall des jungen Komponisten. Das Schwabinger Klaviertrio - mit Esther Schöpf, Violine, Klaus Kämper, Violoncello, und Norberth Groh, Klavier - musizierte das Werk vorzüglich. Mit sanglich-großem Ton gestalteten der Cellist und sein Partner am Klavier den wunderbaren Beginn des Trios, ehe die Violine einsetzte und mit ebensolcher Emotionalität und satter Stimme die Ohren des Publikums öffnete. Auffallend: die typisch brahmschen Sextparallelen. Vom ersten Ton an war man mitgerissen. Es gelang den Musikern, eine fabelhafte Balance zu finden: nicht zu viel Schmelz zu verwenden und doch die Charakteristik der Musik zu treffen. Fabelhaft! Einzig die Wechsel in den hohen Lagen der Violine hätten gern auch weniger Glissandi vertragen. Brahms stellt das Scherzo vor den langsamen Satz: Ein Staccato im Dreivierteltakt und wiederum ein großer Wurf des jungen Komponisten. Das Thema beginnt im Cello, gefolgt von Klavier und Geige. Fast fugatohaft kommt es daher. Und es mundet. Den zweiten Satz lies Brahms in seiner Spätfassung übrigens fast unverändert. Romantische Ausdruckswelten durchziehen auch das Adagio und den Finalsatz. Daniel Barenboim hat einmal gesagt, beim Sprechen höre man einander zu und antworte sich zeitversetzt - in der Musik jedoch gehe das zeitgleich, man kommuniziere miteinander im selben Augenblick. Dass das stimmt, haben die drei Musiker in Grafing bewiesen.

Schostakowitschs Klaviertrio hat keine spätere Revision erfahren. Es ist eine einsätzige, mit verschiedenen Abschnitten versehene Komposition, mitunter durchaus von hochromantischem Gestus geprägt. Man hört schon vieles vorweg, das typisch ist für Schostakowitsch - etwa den Umgang mit punktiertem Rhythmus oder das Spiel mit reibender Harmonik. Und doch gilt das Werk stilistisch als etwas unausgewogen. Die Interpretation des Schwabinger Klaviertrios überzeugte trotzdem und erntete dankbaren Applaus.

Nach der Pause noch ein Schlager: Antonin Dvoráks "Dumky"-Trio op. 90 in e-moll. Der Titel stammt aus dem Ukrainischen und bedeutet so viel wie elegische Ballade, "melancholisch erzählerisches Nachdenklied", wie es der Pianist formulierte. Das 1891 vollendete Werk weicht von der klassischen Sonatenform ab, es bietet sechs scheinbar zusammenhanglose Tänze im Wechsel zwischen langsamer und schneller Textur. Wiederum beeindruckte das Trio aus München - wie herrlich beispielsweise die Synkopen der Violine im ersten Satz oder ihre hübschen Begleitmuster im Poco adagio, bald abgewechselt mit tänzerischen Mustern samt einem Ostinato im Cello dazu. Furios!

Einen schöneren Klaviertrioabend hätte man sich nicht wünschen können, das Programm, die Interpreten waren erstklassig. Nur im Publikum fehlte etwas: junge Menschen. Schade, denn ein derart musikalischer Leckerbissen findet sich nicht alle Tage. Als Zugabe gab's noch ein Winterstück von Astor Piazzolla.

© SZ vom 29.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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