Grafing:Fakten, Frust und Fachwissen

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Über Fluchtursachen und Fluchtrouten spricht Ben Rau vom Bayerischen Flüchtlingsrat vor ehrenamtlichen Asylhelfern im Grafinger Pfarrheim. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Ben Rau vom Bayerischen Flüchtlingsrat informiert Ehrenamtliche aus den Helferkreisen über Aktuelles zum Asyl und erläutert rechtliche Hintergründe der Flüchtlingspolitik

Von Mariel Müller, Grafing

Ehrenamtliche aus den Helferkreisen des Landkreises Ebersberg machten den Großteil der Zuhörer aus, als am Dienstagabend Ben Rau vom Bayerischen Flüchtlingsrat im Grafinger Pfarrheim über Aktuelles aus der Asylpolitik informierte. Ein Helfer berichtet über die gelungene Integration einiger Asylbewerber aus Ebersberg, die in Anzing Arbeit gefunden hätten, aber früh morgens wegen der schlechten öffentliche Anbindung nicht pünktlich zur Arbeitsstelle kommen könnten. Er habe beim Landratsamt angefragt, ob man diese Asylbewerber nicht in die Nähe ihres neuen Arbeitsplatzes umsiedeln könne. Die Antwort lautete schlicht: Nein. Frustriert sei er darüber. Da werde es den Flüchtlingen extra schwer gemacht, nachdem sie schon nach langer Suche endlich eine Arbeitsstelle gefunden hätten. Im Sommer fahren sie jetzt die 13 Kilometer mit dem Rad, aber wie soll das im Winter bei Schnee um halb sieben morgens aussehen?

Aus eigener Erfahrung kann Ben Rau erzählen, dass solche Entscheidungen rein im Ermessen der jeweiligen Ämter und zuständigen Sachbearbeiter liegen und daher sehr unterschiedlich ausfallen können.

Während im Jahr 2012 noch 65 000 Asylanträge gestellt wurden, waren es 2014 schon 173 072, davon fielen circa 15 Prozent in die Zuständigkeit Bayerns, ungefähr 26 500 Personen. Die Hauptherkunftsländer der Migranten sind Syrien, Eritrea, Afghanistan und Serbien; das Letztere allerdings gelte als "sicheres Herkunftsland", daher hätten Asylbewerber kaum eine Chance auf Anerkennung, erklärt Rau. Flüchtlinge aufgrund ihres Herkunftslandes kategorisch abzuschieben, hält er für falsch, er erzählt von einem Fall einer transsexuellen Roma aus Bosnien, die ohne das zufällige Prüfen einer Ehrenamtlichen abgeschoben und in ihrer Heimat einer massiven Verfolgung ausgesetzt gewesen wäre. Mit der Dublin III Verordnung habe der Bundestag das Grundrecht auf Asyl faktisch abgeschafft, denn diese "Drittstaatenregelung" sieht vor, dass Flüchtlinge nur in dem Land einen Antrag auf politisches Asyl stellen dürfen, in dem sie zum ersten Mal europäischen Boden betreten haben. Der Gegenvorschlag des Bayerischen Flüchtlingsrates lautet: Jeder Flüchtling sollte sich je nach Sprachkenntnis oder dort lebenden Verwandten das Land selbst aussuchen dürfen und ein europaweiter Finanzausgleich solle die Länder entlasten, die besonders viele Flüchtlinge aufnehmen.

Die Kirchen hätten einen erfreulichen Beitrag zur Asylarbeit geleistet: Von den 173 000 Asylbewerbern seien 500 Kirchenasyl gewährt worden, zwar "eine lächerlich geringe Zahl", findet Ben Rau, die das Innenministerium aber nicht davon abhielt, die Kirchen dafür zu kritisieren: Sie würden geltendes Asylrecht aushöhlen. Steter Tropfen höhlt den Stein, kam prompt die Antwort der Kirchen, sie hätten die Pflicht gehabt zu helfen. Mittlerweile kooperieren die Landeskirchen aber mit dem Bundesministerium für Migration und Flüchtlinge und würden Kirchenasyle nur noch in extremen Härtefällen gewähren.

Ben Rau entlässt die Zuhörer mit dem Rat, sich in der Arbeit als Ehrenamtlicher nicht zu überschätzen und bewusst Grenzen zum Privatleben zu ziehen. Früher habe er auch mal Flüchtlinge bei sich zu Hause aufgenommen, erzählt er, "das würde ich heute nicht mehr machen." Das Ehrenamt sei keine Dienstleistung, betont er, Asylarbeit sollte vorrangig staatliche Aufgabe sein und bleiben.

© SZ vom 09.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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