Grafing:Ein Prosit auf die Heimat

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"Hopfen und Malz, Gott erhalt's!": Eine neue Sonderausstellung im Heimatmuseum widmet sich der Geschichte der Grafinger Brauereien. An diesem Sonntag ist Eröffnung mit Verkostung

Von Rita Baedeker, Grafing

Historisches Bild des Lagerkellers der Brauerei (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Museumsluft ist meist ziemlich trocken. Da wirkt die Werbetafel der Genossenschaftsbrauerei Grandauer wie eine Verheißung: dieser blaue Himmel, dieses obergärige Helle, dieser samtige Schaum, der wie Schlagsahne aus dem Glaskrug quillt. Ja! Die von Bernhard Schäfer konzipierte Schau im Heimatmuseum "Hopfen und Malz, Gott erhalt's! - Aus der Geschichte der Grafinger Brauereien" weckt den Bierdurst. Doch Schäfer zeigt viel mehr als Steingutkrüge, Malzschaufeln und Schaumkronen.

Dass es um das Jahr 1205 herum in Grafing einen "tabernarius" mit Namen Wilhelm gegeben hat, ist verbürgt. Ob der Mann jedoch Bier ausgeschenkt hat oder Wein, damals das bevorzugte Getränk, weiß man nicht. Fest steht aber, dass Wilhelms Wirtshaus zu einem Adelssitz gehörte - und dessen Inhaber, Hildebrand von Kitscher, 1536 nach einem Brand die dem Anwesen angeschlossene Brauerei restaurieren ließ.

1633 nahmen spanische Reiter die kupferne Braupfanne mit

Doch schon bald bekam diese erste Braustätte Konkurrenz durch drei Bürgerliche mit Namen Hans Dosch, Jörg Grandauer und Jakob Reiter, die sich alle um den Marktplatz gruppierten. Gemeinsam erlebten die vier Brauhäuser Schicksalsschläge, Krieg und Not. 1633 waren es spanische Reiter, die beim Abmarsch aus ihrem Winterquartier die kupferne Braupfanne des herrschaftlichen Brauhauses herausrissen und mitnahmen - aber wohl nicht, um im Palacio Real in Madrid Bier zu brauen, sondern wegen des Metalls.

Im 19. Jahrhundert erfuhren die Betriebe eine Blütezeit, ehe sich ihre Zahl im 20. Jahrhundert nach und nach reduzierte. Heute gibt es nur noch eine Brauerei in Grafing. Vergangen sind Namen wie Walcherbräu (späterer Heckerbräu) und "Kasperlbräu", benannt nach Jakob Walcher und Caspar Weber, welche die Geschicke zweier Betriebe lenkten.

Eine Familie jedoch ist über lange Zeit präsent: die Grandauers. Ihre Brauerei blieb über zweieinhalb Jahrhunderte in Familienbesitz. Der Adelsbrief von 1794 zeigt ihr "redendes" Wappen, also ein heraldisches Symbol, das die Herkunft des Namens erklären soll: die Abbildung eines "Wassergrands", also -trogs. "Edle von Grandauer" durften sie sich nennen. Ganz ohne Fehl und Tadel ist ihre Geschichte jedoch nicht. 1639 wurde Hans Grandauer um 1000 Ziegelsteine gestraft, weil er vor Ägidi ohne Erlaubnis Bier gesotten und dieses ohne "Bierbeschau", das heißt ohne den Test auf Reinheit, ausgegeben hatte.

Den Hopfen bauten die Brauer im eigenen Garten an

Den zur Bierherstellung nötigen Hopfen bauten die Grafinger Brauer in eigenen Gärten an, auch neben dem heutigen Heimatmuseum wurde Hopfen gezogen. Den größeren Teil bezogen sie jedoch aus Böhmen. Stattlicher Beweis des geglückten Hopfenanbaus war ein mit Hopfenstangen geschmückter Wagen, der anlässlich der Silberhochzeit des bayerischen Königspaares Ludwig I. und Therese im Jahr 1835 im Festzug mitfuhr. Auf einem farbigen Stich ist dieses Ereignis festgehalten.

Nachdem die Grandauers in der männlichen Linie ausstarben, verkauften die Töchter den Betrieb an den Öxinger Georg Deuschl. Einen Niedergang erfuhr auch das Walcherbräu. Durch die Spielsucht des Steinhöringer Braumeisters Augustin Höfter, der die Walcherbräu-Witwe geheiratet hatte, verarmte das Paar. Das Anwesen musste verkauft werden, zuerst an einen Nettelkofener, dann, 1862, an Alois Hecker, dessen Name durch den mittlerweile leer stehenden Gasthof präsent ist.

Beim Reiterbräu löste ein Verkauf den anderen ab bis hin zu Josef Schlederer, der Eiskeller, Halle und Lager neu errichten ließ. Der Kasperbräu wiederum kam 1865 in den Besitz von Korbinian Wild, der in seiner Brauerei die erste Dampfmaschine Grafings aufstellte und den Besitz Zug um Zug vergrößerte. Wild war es auch, der für die Arbeiter der Bahnlinie München-Rosenheim eimerweise Bier ausschenkte.

14 Kinder hatte Alois Deuschl, doch keines wollte das Unternehmen weitrführen

Als Korbinian Wild starb, übernahm sein Schwiegersohn Josef Schlederer das Anwesen. Die Reiterbrauerei wurde geschlossen, heute würde man sagen: abgewickelt. Schlederer kaufte auch den Heckerbräu, legte die Brauerei still und verpachtete die Gastwirtschaft. Da waren es nur noch zwei!

Von alldem unberührt blieb zunächst der Grandauerbräu von Alois Deuschl, der 14 Kinder hatte. Doch keines wollte das Unternehmen weiterführen, 1927 gründete sich daher eine Genossenschaft, die den Bräu erwarb. In den Fünfzigerjahren kam für die Genossenschaftsbrauerei zunächst der Aufschwung. 1965 feierte man 350-Jähriges mit einem Jubiläumsvolksfest. Auf dem Werbeplakat erkennt man Riesenrad und eine schneebedeckte Bergkette, so nah, als rage sie direkt hinter dem Volksfestplatz auf. 1979 übernahm die Raiffeisenbank Mangfalltal die Brauerei, doch 14 Jahre später wurde der Betrieb an den Konkurrenten Wildbräu verkauft - wegen der Übermacht der Münchner und der norddeutschen Konzerne, wie es hieß. Nach dem Tod von Max Josef Schlederer 2015 übernahm seine Frau, die Agrarwissenschaftlerin Swantje Schlederer, die Geschäftsführung des Wildbräu.

Die ersten Genossen der Brauerei (Foto: Photographie Peter Hinz-Rosin)

Eine Postkarte von 1900, die den von Brauereien umstellten Marktplatz zeigt, ziert die Einladung zur Ausstellung. Der Absender schwärmt von einem "frischen Glas Grafinger Bier". Neben Krügen aus Glas und Steingut, amtlichen Schriftstücken und Grabsteinen, können Besucher Porträts der Brauerfamilien bewundern - Fotos der Deuschls, ein Gemälde der "schönen Leni", der Magdalena Kleinmaier, die den Kasperbräu als Witwe lange führte.

Ein Exponat wurde schon einmal gestohlen und mit Hilfe der Kripo wieder aufgespürt

Ein paar Kuriosa hat Schäfer ebenfalls aufgespürt, etwa eine Weißbierflasche mit Prägung, von der man nur weiß, dass sie aus Öxing stammt. Einen Beleg, dass es dort eine Brauerei gab, hat er allerdings nicht gefunden. Bilder von Erich Zmarsly zum Thema sind zu sehen, Schablonen für Getreidesäcke, jede Menge Steinzeug, eine Flasche Haustrunk, ein alter Biertisch vom Wildbräu.

Ein besonders Stück ist die Werbetafel aus Emaille mit dem in deutscher Schreibschrift gemaltem Satz "Halt uns die Treu, trink Grandauer Bräu!" Nicht nur, dass dieses Schild, 1927 entworfen, vor ein paar Jahren aus dem Museum gestohlen und später mit Hilfe von Hinweisen aus Sammlerkreisen und der Kripo aufgespürt wurde; auch die Darstellung ist etwas Besonderes. Zwei Männer stehen einander gegenüber. Sie tragen Tracht, Hut und Stock, Schnupftuch und Hirschfänger und geben einander männlich-kernig die Hand. Der eine hält einen vollen Bierkrug, aus dem der Schaum quillt. Ein Lob bäuerlicher Bodenständigkeit und Heimatliebe. Und des Bierdursts.

Die Ausstellung im Heimatmuseum wird am Sonntag, 22. Mai, um 11 Uhr eröffnet. Von 12 bis 16 Uhr gibt es Brotzeiten, Grillgerichte und eine Bierverkostung. Um 15 Uhr schließt sich eine Führung an. Die Ausstellung dauert bis 11. September, an vier Terminen gibt es ein Begleitprogramm, darunter am 14. Juli, 19.30 Uhr: "Oans, zwoa, glesn!" Literarische Expedition ins regionale Bierreich mit Franz Frey. Geöffnet ist sonntags 14 bis 16 Uhr und donnerstags 18 bis 20 Uhr. Führungen unter b.schaefer@grafing.bayern.de oder (08092) 703 59.

© SZ vom 21.05.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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