Grafing:Ehrenplatz für die Elle

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Schreiner Andreas Weber stellt bei der Eröffnung der Ausstellung im Heimatmuseum eine "Grafinger Elle" her. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Museum Grafing präsentiert eine Sammlung historischer und moderner Messinstrumente

Von Anna Weininger, Grafing

Sebastian Bodmeier aus Steinhöring hat ein außergewöhnliches Hobby: Er sammelt Meterstäbe in allen Varianten. Nun fragt man sich, was es da schon groß zu sammeln gibt - das Maß ist doch ohnehin standardisiert. Doch der ehemalige Schreiner findet immer wieder Kuriositäten, mal auf Flohmärkten oder in Tauschbörsen. An die 200 unterschiedlichen Meterstäbe aus dem Bestand des Steinhöringers sind derzeit im Museum der Stadt Grafing zu sehen - von alten Zollstöcken aus den Anfängen des 20. Jahrhunderts bis hin zu ausgefallenen Exemplaren mit LED-Beleuchtung oder Blindenschrift. Meterstäbe, die zusammengeklappt den Papst lächeln lassen, die zehn Gebote aufgedruckt tragen, sogar Zollstöcke mit erotischen Motiven gibt es.

Die Meterstab-Sammlung von Bodmeier ist Teil der Sonderausstellung "Es ist ein Maß in allen Dingen . . ." im Grafinger Stadtmuseum, die sich Messinstrumenten von anno dazumal bis heute widmet. Zu sehen sind seit der Eröffnung am vergangenen Sonntag neben den Leihgaben von Bodmeier auch viele historische Schmuckstücke der Gewichts-, Längen-, Hohlraum- oder Zeitmessung. Gegenstände, die unterschiedliche Messsysteme der letzten Jahrhunderte dokumentieren. Für Antiquitäts- und Geschichtsinteressierte wird der Rundgang durch das kleine Museum zu einem Erlebnis. Alte Schwarzwalduhren aus dem späten 19. Jahrhundert, antike Pendeluhren oder Wecker, die unter anderem aus Privatbesitz rund um Grafing stammen, schmücken die Räume. Darunter ein gut erhaltenes Räderuhrwerk des Grafinger Rathauses, das nach dem Marktbrand 1766 im Rathausturm fast 140 Jahre die Glocken schlagen ließ.

Dass Grafing in Bezug auf Messsysteme eine besondere Rolle einnimmt, zeigt die "Grafinger Elle". Im Mittelalter und der Frühen Neuzeit wurde in Deutschland mit einer Vielfalt unterschiedlicher Einheiten gemessen, die je nach Hoheitsgebiet variierten. Auch Grafing als Marktgemeinde hatte eigene Maße und Gewichte. Die "Grafinger Elle" als Längenmaß wurde von Bürgermeister zu Bürgermeister weitergereicht und zur "Märktischen Angelegenheit" erklärt - zuletzt betrug ihr Maß Anfang des 19. Jahrhunderts 83,3 Zentimeter, erzählt Grafings erste Bürgermeisterin Angelika Obermayr in ihrer Eröffnungsrede. Die Zahl zeigt, dass man da gerne geschwindelt hat und die Elle immer länger werden ließ, schließlich hingen von der Maßeinheit auch Steuereinnahmen ab - Naturmaß hin oder her. Denn kaum ein Bürgermeister hatte eine Elle (gemeint ist die Länge vom Ellenbogen bis zur Spitze des Mittelfingers) von 83,3 Zentimetern.

Die Elle der amtierenden Bürgermeisterin jedenfalls beträgt nur realistische 46 Zentimeter - sie brauche also keine Angst zu haben, ins rechte Maß zurückgestuft zu werden, sagt Bernhard Schäfer, Leiter des Stadtmuseums, mit einem Augenzwinkern. Seit 1809 ist dann endgültig Schluss mit den Messver(w)irrungen, seit im Königreich Bayern die Maße und Gewichte auf klar definierte Größen festgelegt wurden. Dennoch ist die "Grafinger Elle" nicht verloren gegangen: Anlässlich der Schau fertigte Andreas Weber in seiner Holzwerkstatt für die Besucher ein solches Längenmaß an. Diese bekommt natürlich auch einen Ehrenplatz in der Grafinger Ausstellung.

Die Ausstellung ist bis 30. August zu sehen, Sonntag, 14 bis 16, Sonntag 18 bis 20 Uhr.

© SZ vom 19.05.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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