Grafing:Durch die Decke

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Gestiegene Preise gefährden städtebaulichen Vertrag

Von Thorsten Rienth, Grafing

Gerade eineinhalb Jahre ist es her, dass Grafing den städtebaulichen Vertrag für das neue Bauland am "Aiblinger Anger" aufsetzte. Schon jetzt muss die Stadt deutlich nachjustieren. Andernfalls verstoße der Kontrakt bei den Wohnungen gegen das sogenannte Angemessenheitsprinzip, warnte das Rathaus in der jüngsten Stadtratssitzung.

Im dem zugrunde liegenden städtebaulichen Vertrag war im September 2015 noch ein Verkaufswert von 3325 Euro pro Quadratmeter Wohnfläche festgelegt worden. Dies sind 25 Prozent weniger als der Richtwert von 4300 Euro je Quadratmeter. Wer also über den Kriterienkatalog den Zuschlag erhält, bekommt die Wohnung um 25 Prozent billiger als auf dem freien Markt. So will die Stadt sicherstellen, dass auch Grafinger aus niedrigeren Einkommensschichten Gelegenheit zum Wohnungsbau erhalten. Zudem war auch der Basiswert recht niedrig angesetzt. Der marktübliche Verkaufspreis lag laut Stadtverwaltung schon damals eigentlich bei 4800 Euro je Quadratmeter.

Die Wohnungspreissteigerung sei nun aber derart "rasant" weitergegangen, erklärte Bauamtsleiter Josef Niedermaier, dass man inzwischen mit mindestens 5300 Euro pro Quadratmeter kalkulieren müsse. Dadurch gerate das Vertragskonstrukt in Schieflage. "Bliebe Grafing bei den einst vereinbarten 3225 Euro, steigt der Preisabschlag auf fast 40 Prozent." Damit sei fraglich, ob der Vertrag im Streitfall vor Gesicht noch bestand hätte. Die Angemessenheit, die der Gesetzgeber zwischen verbilligtem und marktüblichen Quadratmeterpreis vorschreibt, sei dann kaum mehr gegeben.

Kippt ein Gericht den Vertrag, wäre er gänzlich unwirksam. Es droht also, dass der Bauträger sämtliche Wohnungen auf dem freien Markt verkaufen kann und niemand in Grafing verbilligtes Bauland erhält. Um das Gleichgewicht wiederherzustellen, könnte Grafing den verbilligten Quadratmeterpreis anheben, beispielsweise von 3225 auf 3975 Euro. Damit wäre bei einem tatsächlichen Marktpreis von 5300 Euro pro Quadratmeter der ursprüngliche Abschlag von 25 Prozent gegeben. Im Rathaus will man das allerdings nicht, weil sich 3975 Euro pro Quadratmeter ohnehin kaum noch als günstig bezeichnen ließen.

Eine Alternative gibt es, nämlich den Vertrag sozusagen am anderen Ende anzupassen: An der Bindungsfrist und der Sanktionsregelung. Die Bindungsfrist ist die Zeitspanne, die der Eigentümer auch tatsächlich selbst in der Wohnung leben muss. Die Sanktionsregelung greift, wenn ein Eigentümer seine Wohnung vor Ablauf der Bindungsfrist weiterverkaufen möchte. Dies wäre ein Vertragsbruch. "Mit beiden Methoden ließe sich das verlangte Angemessenheitsgebot wiederherstellen", erklärte Niedermaier. Je höher der Preisabschlag, desto länger müsse auch die Bindungsfrist liegen. Bislang sind es 15 Jahre. Geht es nach der Stadt, soll sie mit der Novellierung erst nach 20 Jahren enden.

Missachtet ein Eigentümer die Weiterverkaufsbeschränkung, kann die Stadt dies derzeit mit 25 Prozent des aktuellen Marktpreises sanktionieren. Selbst bei geringer Wertsteigerung würde dem Eigentümer bislang noch ein stattlicher Gewinn bleiben. Die Verschärfung sieht vor, dass er zusätzlich zum prozentualen Abschlag, auch den tatsächlichen Preisvorteil zurückerstatten muss.

Kritik kam von der CSU. "Wir unterstützen einzelne Leute mit günstigen Wohnungen und überprüfen nicht einmal, ob sie die Unterstützung wirklich brauchen", stellte Fraktionschef Max Graf von Rechberg das Wohnungsbauprogramm gänzlich in Frage. CSU-Ortsvorsitzender Sepp Carpus bemängelte, dass der im Jahr 2015 beschlossene Grundsatzbeschluss zu schnell gefasst worden sei. "Ich habe damals schon Bauchweh gehabt." Der Rest des Gremiums votierte - am Ende sogar mit einigen CSU-Stimmen - dennoch für den Vorschlag der Verwaltung. Förmlich beschlossen ist die Änderung damit aber nicht. Erst wenn die Änderungen in den Vertrag eingearbeitet sind, muss der Stadtrat ihn ratifizieren.

© SZ vom 08.04.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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