Grafing:Die spitze Feder malt

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Friedhelm Buchenhorst aus Grafing präsentiert am Samstag erstmals seine "kognitive Kunst". (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Friedhelm Buchenhorst hat sich vom Verfassen von Leserbriefen auf "kognitive Kunst" verlegt

Von Anja Blum, Grafing

Den Lesern der Ebersberger SZ müsste der Name Friedhelm Buchenhorst eigentlich bestens bekannt sein: Der Grafinger war in den vergangenen zehn Jahren der mit Abstand fleißigste Verfasser von Leserbriefen. Schon am Frühstückstisch packte Buchenhorst oft die Empörung, die in den "inneren Zwang" mündete, seine kritische Gedanken sofort auf Papier zu bringen. Dabei ging es ihm jedoch nie ums politische "Tagesgezänk", sondern stets um "gewisse Grundorientierungen". Um Kritik an maßlosem Wachstum etwa, an den Zwängen des Arbeitslebens, am Kapitalismus und am Konsum.

Vergangenen Herbst jedoch war für Buchenhorst plötzlich das Schreiben von Leserbriefen vorbei. Es habe einfach überhand genommen, erzählt er. "Manchmal habe ich zehn an einem Tag produziert - so konnte es nicht weitergehen." Außerdem seien Leserbriefe für einen Publizisten doch eher eine ungewöhnliche Form, sagt er und lacht. Also erinnerte sich der 58-Jährige an eine Idee, die ihn schon seit vielen Jahren im Stillen begleitet hatte: seine Botschaften auf Leinwand zu bannen. "Kognitive Kunst" nennt Buchenhorst das Ergebnis, das er am Samstag, 20. Mai, von 14 bis 18 Uhr bei sich zu Hause, im Elkofener Weg 6 in Grafing, erstmals der Öffentlichkeit präsentiert. Ausstellungsraum wird der Garten sein, sollte es regnen, steht ein Wintergarten zur Verfügung.

Wie seine Werke entstanden sind und was sie darstellen, will der frisch gebackene Künstler vorher allerdings nicht so genau verraten. "Das soll schon eine Überraschung sein, aber keine Angst, es ist nichts Gefährliches", sagt Buchenhorst und lacht. Nur so viel: Seine Arbeiten seien allesamt großformatige Bilder, wobei dieser Begriff eigentlich nicht ganz zutreffe. Vielmehr banne er "Sprachformeln" mit Acryl auf Leinwand.

Der Duktus und die Botschaften der Kunstwerke hätten sich mit Blick auf die Leserbriefe nicht wesentlich verändert, sagt Buchenhorst. Schließlich gehe es ihm nach wie vor darum, Dinge auf den Punkt zu bringen, um sie bewusst zu machen. Nur sei diese neue Art des Ausdrucks, die gemalte Literaturform, eben extrem verkürzt. "Ich möchte damit philosophische Gedanken auf moderne Art präsentieren." Wer nun jedoch abgehobene Geisteskonstrukte erwartet, der irrt: Der Grafinger möchte die Philosophie am Alltag festmachen und so den Mensch existenziell ansprechen und erschüttern. "Das ist schließlich ein Uranliegen dieser Wissenschaft." Als Vorbild habe ihm dabei der österreichische Autor Thomas Bernhard gedient, den er leider erst jetzt für sich entdeckt habe, nämlich als einen Meister der Provokation.

"Kommunikation und Emanzipation" - letzteres im eigentlichen Wortsinne, also als eine Befreiung aus Abhängigkeiten - sind für Buchenhorst zentral. "Das sind doch unsere großen Aufgaben im Lebensvollzug", erklärt er. Das jedenfalls habe er gelernt - und dieses "biografische Geschenk" wolle er eben gerne weitergeben.

Eine künstlerische Ausbildung hat Buchenhorst zwar nicht, doch sein ungewöhnlicher Lebensweg hat eine Art Uomo universale aus ihm gemacht: einen im Sinne des Humanismus vielseitig gebildeten, aufgeschlossen und von Dogmen unabhängigen Menschen, der schöpferisch tätig ist. "Vor zehn Jahren wurde ich aus dem Berufsleben ausgestiegen", erzählt der 58-Jährige "und habe beschlossen, nicht wieder einzusteigen". Stattdessen begann der ehemalige Hauptschul- und Montessorilehrer sein viertes Studium. Nach der Lehrerausbildung, einem Philosophie- und einem Agrarstudium war nun die Archäologie sein neues Betätigungsfeld. Doch mitnichten, um daraus einen neuen Beruf zu machen, sondern als persönliche Bereicherung. "Die Bindung an einen Brotherren gefällt mir nicht", sagt Buchenhorst, der diese Entscheidung auch als einen Protest gegen die Bedingungen der modernen Arbeitswelt versteht. Doch wie kann er sich diese Haltung leisten? Er habe "immer bescheiden gelebt", erzählt der gebürtige Hesse, weswegen er jetzt von Ersparnissen zehren könne. Außerdem ist er verheiratet - mit einer berufstätigen Frau.

Mit dem Ende seiner Anstellung jedenfalls habe er eine neue geistige Freiheit entwickelt: "Ich bin kritischer geworden und unabhängiger, seitdem ich nicht mehr in diesen Hierarchien stecke." Ablesbar war dies an seinen Leserbriefen - zu praktisch allen Themen. Wirtschaft, Politik, Religion, Recht: Buchenhorst ist über vieles empört und tat dies stets mit spitzer Feder kund. Die Vernissage ist für Buchenhorst nun eine Premiere, ein "Sprung ins kalte Wasser", auf den er vermutlich genauso gespannt ist wie seine Gäste. "Schließlich muss man sich bei so etwas schon auch auf Kritik einstellen."

© SZ vom 18.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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