Grafing:"Die Jazzszene wächst gerade"

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Die besondere Rhythmik des Jazz: Josef Ametsbichler unterrichtet Musikstudenten im chinesischen Guanzhu. (Foto: Privat)

Der Kontrabassist Josef Ametsbichler leitet in China auf Einladung einer Universität einen Masterkurs

Interview von Rita Baedeker, Grafing

Das Interesse Chinas an deutschen Handelsbeziehungen und Produkten wächst stetig. Einen Kulturimport besonderer Art hat sich vor kurzem die Universität der Millionenstadt Guanzhu geleistet: Sie hat den Grafinger Kontrabassisten, Gitarristen und Lehrer Josef Ametsbichler eine Woche lang zu einem Gastspiel mit Meisterklassenunterricht eingeladen. Im Gespräch mit der SZ erzählt der Musiker, wie es zu der außergewöhnlichen Reise kam und wie es um den Jazz in China bestellt ist.

SZ: Die Initiative Jazz Grafing, zu der auch Sie gehören, ist mittlerweile international ziemlich vernetzt. Aber bis nach China reichten die Kontakte bisher nicht. Wie kam man dort auf Sie?

Josef Ametsbichler: Ich hatte 2013 ein musikalisches Projekt auf dem Chiemsee, Eliland heißt es, eine Geschichte, in der es um die unglückliche Liebe zwischen einem Mönch und einer Nonne ging. Den zweiten Teil, die "Wassermusik" haben die Pianistin Chenny Gan und ich komponiert und arrangiert. Frau Gan ist Professorin am Wesleyan College in Georgia, USA, und Gastprofessorin an der Guanzhu-Universität in China. Sie hat dort von unserem Projekt erzählt, und man lud mich ein, um dort mit ihr und einem chinesischen Schlagzeuger, Wilson Chai, dieses Projekt aufzuführen.

Wo haben Sie gespielt? Gab es dort einen Konzertsaal?

Ja, sogar einen ungemein großen. Sie müssen sich vorstellen, die Uni dort ist eine Universitätsinsel mit 15 Unis und 250 000 Studenten. In den Saal, in dem wir spielten, passen tausend Leute. Zu uns kamen immerhin gut 800.

Wie lange brauchten Sie fürs Einspielen?

Wir haben nur zweimal geprobt, der Drummer hatte die Noten zuvor schon bekommen.

Wie war Ihnen vor der Reise zumute?

Ich habe mich auf die Reise gefreut, hatte aber auch einigen Respekt. Man weiß ja nie, was einen in einem fremden Kulturkreis erwartet.

Und, wie war's? Sie haben sicher eine ganze Menge erlebt.

Wir sind an einem Sonntag angereist, bekamen erst mal eine Stadtführung und wurden von den Dekanen der Uni offiziell begrüßt. Bei der für uns organisierten abendlichen Fahrt auf dem Perlenfluss war ich überwältigt von den Milliarden farbigen Lichtern der Stadt, die Chinesen haben es offenbar gerne bunt (lacht). Wir waren auch auf einem Markt, wo es die für unseren Geschmack seltsamsten Dinge gab, zum Beispiel lebende Skorpione. Die kocht man und reibt sich mit dem Sud ein, sozusagen als medizinische Anwendung. Und gegen Rheuma gibt es Schlangenhaut.

War das Konzert ebenso exotisch?

Nein, aber es war der Wahnsinn. Wir erhielten tosenden Applaus, spielten drei Zugaben. Am Ende strömte das Publikum auf die Bühne, um Fotos zu machen, CDs signieren zu lassen und um Autogramme zu bitten. Das Fest danach dauerte länger als das Konzert. Es gibt dort eine ungeheure Begeisterung für den Jazz.

Dann spielt der Jazz in China vermutlich eine wichtige Rolle?

Eben nicht. In dieser 13-Millionenstadt leben gerade mal vier bis fünf Jazzmusiker, darunter zwei Europäer, die Abend für Abend die Clubs bespielen, von denen es deutlich mehr gibt als Musiker.

Wenn es viele Clubs gibt, müsste doch eigentlich das Interesse groß sein.

Die Jazzszene dort wächst und entwickelt sich gerade. Ausbildungsstätten für Jazz existieren im Gegensatz zur klassischen Musik nicht. Als ich die Begeisterung und das Interesse der jungen Leute gesehen habe, kam mir die Idee, dort Seminare für Kontrabass zu etablieren, ich bin schließlich auch Lehrer (lacht).

Was ist, zusammengefasst, Ihrem Eindruck nach in der chinesischen Kulturszene anders als hier?

Begeisterung und Aufnahmebereitschaft des Publikums haben mich tief beeindruckt, da ist das Publikum hier verwöhnter. Der Respekt vor der Kunst ist allgemein groß. Auch die Arbeit in der Masterklasse machte Spaß. Wir haben in erster Linie die dem Jazz eigene besondere Rhythmik geprobt.

Wie sind Sie mit der schlechten Luft zurechtgekommen?

Als wir aus dem Flieger gestiegen sind, glaubten wir zunächst, eine Atemmaske zu benötigen, die Sonne haben wir eigentlich in der Woche nie gesehen. Der Smog war zu stark.

Gibt es Brückenschläge des Jazz zur traditionellen chinesischen Musik?

Es gab in den 1920er Jahren einen Musikstil, der vornehmlich in Kneipen gespielt wurde. Eine der Studentinnen hat mir historische Aufnahmen davon zugeschickt. Es ist bestimmt reizvoll, diese Musik zu entdecken und möglicherweise mit Jazzelementen neu zu interpretieren.

© SZ vom 28.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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