Grafing:Der schmale Grat zwischen Spaß und Ernst

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Fröhlich und ehrgeizig ist Protagonistin Lea am Anfang des Stücks. Am Ende dominiert die Verzweiflung. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Grafinger Eltern, Schüler und Lehrkräfte beschäftigen sich mit den Themen Mobbing und Medienkompetenz

Von Cindy Wersche, Grafing

Wenn ein Kind gemobbt wird, merkt man ihm das nicht unbedingt an. "Nur weil man keine Reaktion des Opfers sieht, heißt es nicht, dass es keine gibt. Die Opfer tragen oftmals schwere Schäden davon", sagt Svenja Petermann. Die Schauspielerin hat sich intensiv mit dem Thema befasst, mit dem mobilen Theater-Ensemble "Radiks" versucht sie gemeinsam mit ihren Mitstreitern Schüler, Eltern und Lehrer dafür zu sensibilisieren. Nun war das Ensemble auch an der Georg-Huber-Mittelschule zu Gast.

"Wie schütze ich mein Kind?" Das war die Frage, die im Mittelpunkt der Veranstaltung stand - eine Frage, mit der sich wohl jeder Elternteil schon mehr als einmal beschäftigt hat. Mobbing kann heutzutage, genau wie früher auch schon, an jeder Schule vorkommen. Was sich jedoch im Vergleich zu früher verändert hat, ist die Tatsache, dass immer mehr Kinder Opfer von Cyber-Mobbing-Attacken werden.

Um das Thema vor allem den jungen Mediennutzern näherzubringen, präsentierten die beiden professionellen Schauspieler Svenja Petermann und Alexander Abramyan den Schülern, Eltern und Lehrern das Theaterstück "Fake oder: War doch nur Spaß", das unter Regie von Karl Koch in Zusammenarbeit mit Psychologen und erfahrenen Pädagogen entwickelt wurde. Finanziert wurde die 60-minütige Vorstellung durch den Landkreis. In dem Stück schlüpfen zwei Schauspieler in verschiedene Rollen. Die Zuschauer werden dabei in Szenen bereits vergangener Situationen entführt, die in der Gegenwart enden. Hinzu kommt die Abwechslung von Dialog- und Erzählszenen.

Das Theaterstück beginnt ganz harmlos mit der Bewerbung der 17- jährigen Lea in einer Castingagentur. Als fröhliche und ehrgeizige junge Frau hat sie den Traum Schauspielerin, Model und Sängerin zu werden. Nach einer überzeugenden Gesangseinlage bekommt Lea schließlich die Zusage, was jedoch den Neid ihrer Mitschüler weckt. So stellt sich nicht nur ihre Freundin Nadine gegen sie und stachelt immer mehr Schüler an, Lea zu mobben, auch ihr Schwarm Andi hintergeht sie. Anfangs wehrt sich Nadine noch gegen die Sticheleien, doch nach und nach erkennt der Zuschauer den schmalen Grat zwischen Spaß und Ernst, während das den jungen Leuten oftmals noch nicht gelingt. Spätestens als im Internet immer mehr Fotos und Videos von Lea hochgeladen werden, weiß diese sich nicht mehr zu helfen und ist am Ende des Stücks so verzweifelt, dass sie sich das Leben nehmen will.

"Das ist trauriger Ernst", erklärt die Schauspielerin den Zuschauern in dem Gespräch, das auf das Theaterstück folgt. "Es ist ein sehr schwieriges Thema, von dem das Stück handelt, aber es kann wirklich passieren", erklärt sie. Das Ensemble bindet das Publikum mit ein, indem es zum Nachdenken anregt. "Wer hätte helfen können?" Die anwesenden Eltern und die Lehrkräfte sind sich einig, dass die Verantwortlichkeit oftmals immer noch bei den Erziehungsberechtigten liegt. Je offener man mit seinem Kind spricht und je enger die Bindung ist, desto schneller können Eltern bemerken, wenn ihr Kind sich verändert.

Ganz nach dem Motto "Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser", spricht Svenja Petermann über die Nutzung sozialer Netzwerke: "Wir raten den Eltern immer, sich ebenfalls einen Account in den von ihren Kindern genutzten Netzwerken anzulegen. So hat man in gewisser Weise einen Überblick über das, was das Kind in der Öffentlichkeit des Internets preisgibt, ohne ihm zu nahe zu treten, indem man beispielsweise das Mobiltelefon durchsucht."

Gebe es jedoch einen konkreten Verdacht auf Mobbing, so sind sich viele Eltern einig, würden sie keine Rücksicht auf die Privatsphäre des Kindes nehmen.

Lehrerin Dagmar Hammer und Schulsozialarbeiterin Ulrike Wagner klären darüber auf, dass Mobbing viel zu spät erkannt werde. Lehrer und Eltern seien oftmals die Letzten, die davon erfahren. "Meistens weiß bereits die ganze Schule bescheid. Aus Angst, das nächste Mobbingopfer zu werden, unternehmen viele Kinder nichts dagegen. Ich bin fast jeden Tag in der Schule und alles, was mit mir besprochen wird, unterliegt der Schweigepflicht. So können wir gemeinsam versuchen Lösungen und Auswege zu finden", erklärt die Schulsozialarbeiterin.

Die Georg-Huber-Mittelschule setzt sich bereits seit mehreren Jahren verstärkt gegen Mobbing und Gewalt ein. Jedes Jahr finden deshalb Workshops für die Schüler statt, die auf die gesellschaftlichen Veränderungen aufmerksam machen sollen. Unterstützung erhält die Schule unter anderem durch die Caritas.

© SZ vom 12.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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