Grafing:Blick von allen Seiten

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Grafing startet ein Projekt zur Erstellung eines 3D-Stadtmodells. Künftig können Kommunalpolitiker damit simulieren, wie sich ihre Entscheidungen auf das Stadtbild auswirken würden

Von Thorsten Rienth, Grafing

Zuerst einmal hatten einige Viertklässler aus der Grafinger Grundschule das Wort. Sie umrissen ein paar ihrer Vorstellungen, wie eine lebenswerte Kommune aussehen soll: wie beispielsweise Spielplätze und Pausenhöfe gestaltet sein könnten oder wo Fußgängerüberwege wünschenswert wären. Wie Dinge wie diese aussehen könnten, können die Grafinger künftig an einem 3D-Stadtmodell simulieren. Denn die Stadt ist eine von bundesweit 52 Kommunen, die das Bundesministerium für Bildung und Forschung bei der Entwicklung einer "ganzheitlichen und nachhaltigen Vision 2030+", wie es in der Projektbeschreibung heißt, fördert. Im Grafinger Fall soll dies eben durch das 3D-Modell geschehen.

Dabei geht es natürlich nicht vorrangig um Kinderwünsche, vielmehr um realpolitische Unwägbarkeiten. Allzu oft ist es bei städtebaulichen Entscheidungen im Stadtrat Thema, dass große und detaillierte Skizzen auf die Leinwänden zu sehen sind, aber die Realität dann doch auf einmal ganz anders aussieht als gedacht. Ein 3D-Modell würde schon vorher einen realistischen Blick auf die Vorhaben geben.

Dessen Basisdaten stammen aus Überflügen. Die Flugzeuge sind mit Laserscan-Technologie ausgestattet und tasten dabei Meter für Meter - sogar beinahe auf den Zentimeter genau - das Land ab. Zusammengefügt ergeben diese Aufzeichnungen ein extrem realistisches dreidimensionales Digitalmodell. Als georeferenziert werden solche Datensätze im Fachjargon bezeichnet.

Viele Entscheidungen verändern das Stadtbild massiv. Computersimulationen können hier hilfreich sein. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

"Acht Millionen Gebäude sind alleine im Freistaat erfasst", erklärte Günter Müller, der als Projektpartner und Berater mit an Bord ist. Für die Stadt ist das ein Glücksfall: Müller ist Senior-Chef der Grafinger Cadfem International GmbH, einem der weltweit führenden Anbieter von Simulationssoftware. Er habe Lust, Herzblut in die Sache zu stecken, hatte er sich bei der Vorstellung der Projektbewerbung vor einigen Monaten an die Stadträte gewandt. Das sei ja schließlich sein Metier - und er selbst seit einigen Jahrzehnten Grafinger. Bürgermeisterin Angelika Obermayr (Grüne) war schon damals regelrecht begeistert von der Idee. "Ich halte das Modell bei Bauprojekten für unglaublich interessant", warb sie. "Davon werden wir einen echten Nutzwert haben."

Gleichwohl geht bei dem Modell um mehr als lediglich realitätsgetreue Fassaden. Wie sieht etwa ein mögliches neues Gebäude neben schon bestehender Bebauung aus? Auf der Leinwand im Stadtrat ließe es sich in seine spätere Umgebung einfügen, dazu drehen und aus verschiedenen Perspektiven betrachten. Wie ändert sich zum Beispiel der Schattenwurf, wäre das Gebäude einen halben Meter höher oder niedriger? In der Computersimulation müsste man nur die neuen Gebäudegrößen eingeben.

Die Projektbeteiligten (v. li.): Josef Niedermaier, Christian Bauer, Martin Prösler, Willi Wendt, Angelika Obermayr, Anja Sethi-Rinkes, Günter Müller. (Foto: privat)

Oder noch einen Schritt weitergedacht: "Man könnte die Daten der Stadt in den Solaratlas integrieren und das Solarpotenzial der Dächer simulieren", skizzierte Müller. Die Dachneigungen der Stadt liegen schließlich vor, die Schattenwürfe ebenso. Auch für die Simulation von möglichen Hochwasser- und Lärmmodellen würde das 3D-Stadtmodell die Basis darstellen. In einem ersten Schritt erstellen Müllers Mitarbeiter nun ein digitales 3D-Stadtmodell. Für was genau es im Zuge der "Vision 2030+" schließlich genutzt wird, liegt vor allem an der Kreativität der Anwender, hier: der Stadt Grafing. So gesehen sind die neuen Blickwinkel der Stadträte bei den Bebauungsplänen nur ein positiver Nebeneffekt des Projekts.

© SZ vom 19.08.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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