Vortrag zu Rechtsextremismus:Aus Worten werden Taten

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Landtagsabgeordnete Katharina Schulze (Grüne) spricht in Grafing. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Grüne informieren über Zunahme von rechtsextremer Gewalt

Von Annalena Ehrlicher, Grafing

"Aktueller denn je" sei das Thema Rechtsextremismus in Bayern, sagt Katharina Schulze, stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Grünen im Bayerischen Landtag. Der rassistisch motivierte Überfall auf den Döner-Imbiss in Ebersberg vor zwei Wochen bestätige, was sie längst befürchtet. "Das, was wir an Zahlen seit langem sammeln, ist jetzt vom Wort in die Tat übergangen", sagt sie zu Beginn ihres Vortrags am Mittwochabend im Wirtshaus "Zum Heckerbräu" in Grafing, wo sie auf Einladung der Grünen im Landkreis spricht.

"Seit das Flüchtlingsthema so akut ist, sprechen viele Leute plötzlich rassistische Gedanken auch aus - die waren aber sicher davor auch schon da", bemerkt eine Zuhörerin. Vermutlich habe das etwas mit einem Gefühl von Bedrohung und Verlustangst zu tun, erwidert ein anderer. Schulzes Vortrag handelt genau davon, was passiert, wenn dieses Gefühl der Bedrohung in Aggression umschlägt: Sie präsentiert Daten des Innenministeriums, die einen starken Anstieg rechtsmotivierter Übergriffe in den vergangenen Jahren belegen. Allein im ersten Halbjahr 2015 gab es 18 Angriffe auf Flüchtlingsunterkünfte in Bayern. Im Vergleich: 2014 waren es im gesamten Jahr 25 Übergriffe. Vergleichbar hohe Zahlen liefert die Statistik von durch rechte Gewalt verletzten Personen: 2014 kommen 86 registrierte Fälle in Bayern zusammen - im ersten Halbjahr 2015 sind es bereits 60. Die Dunkelziffer ist außen vor.

"Ich frage mich: Konnte man das nicht ahnen?", sagt sie im Bezug auf Ebersberg. Sie selbst stellte, sobald der Vorfall bekannt wurde, eine schriftliche Anfrage ans Innenministerium, in der sie Antworten fordert: Fragen nach Vermeidbarkeit des Vorfalls, vor allem jedoch konkrete Fragen zum Ablauf des Polizeieinsatzes. "Außerdem besteht doch die Frage: Standen die acht Tatverdächtigen davor schon unter Beobachtung des Verfassungsschutzes oder kam das aus dem Nichts?", fügt sie hinzu. Auch hierauf wartet sie auf eine Antwort aus dem Innenministerium.

Benedikt Mayer, Kreisrat und Bundesschatzmeister der Grünen, wirft ein, dass gerade in der Rassismusproblematik die Anonymität elektronischer Medien eine große Rolle spiele: "Die Hemmschwelle für Hasstiraden wird viel niedriger." Nicht nur Menschen mit Migrationshintergrund, sondern auch diejenigen, die sich für Flüchtlinge einsetzen, sind diesen ausgesetzt. Zusammenfassend zieht Schulze das Fazit, dass die Rechte das Thema Flüchtlinge zunehmend als Agitationsfeld benutze. Beispiele dafür seien unter anderem die "Nein zum Heim"-Kampagne, Aktionen und Demos vor Flüchtlingsunterkünften und Auftrite bei Infoveranstaltungen. "Aber nicht geschlossen, sondern schön einzeln im Raum verteilt, damit es nicht auffällt!", sagt Schulze.

Bettina Goldner vom Ebersberger Ortsvorstand der Grünen, lobt die rege Teilnahme an der Mahnwache nach dem Überfall in Ebersberg. "Daran sieht man doch, dass solche Übergriffe nicht repräsentativ für die Stimmung in der Gesellschaft sind", sagt sie. "Es ist beruhigend, dass die Zivilgesellschaft sich gegen rechts ausspricht", stimmt Schulze zu. Dennoch: Genauso wie sich die Flüchtlingshilfe nicht allein auf dem Rücken von Ehrenamtlichen austragen lassen könne, sei es auch nicht fair, die Verantwortung für Rechtsextremismus an die Zivilgesellschaft abzutreten. Scharf kritisiert sie in diesem Zusammenhang den Verfassungsschutz:"Das ist doch verheerend! Nach dem NSU-Skandal müssten wir doch irgendetwas gelernt haben!", ruft sie.

Auch die Pegida-Bewegung nimmt Schulze ins Visier: "Wer heute noch behauptet, bei Pegida laufen nur besorgte Bürger herum, der hat einfach nicht erkannt, dass die Demos hemmungslos von den Rechten unterlaufen werden." Da stelle sich die Frage, ob der Verfassungsschutz die rechte Szene überhaupt gut genug kenne, um die Lage korrekt einzuschätzen zu können.

Tobias Vorburg vom Kreisvorstand der Günenwirft ein, dass es wichtig sei, Fragen der Bevölkerung so offen wie möglich zu klären. "Ich muss auch Raum geben, in dem Ängste und Sorgen formuliert werden dürfen." Schulze bestätigt das, fügt jedoch hinzu: "Aber nicht dadurch, dass Hysterie noch geschürt wird!" Ein Zuhörer bemerkt dazu, der wichtigste Schritt, um Ängste abzubauen, sei, "von einer Willkommenskultur zu einer Willkommensstruktur zu kommen."

© SZ vom 09.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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