Gockelwettkrähen in Aßling:Ein Schweizer hat den Schnabel vorn

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Beim Gockelwettkrähen geht es für die teilnehmenden Hähne darum, sich ordentlich bemerkbar zu machen. Der Geflügelzuchtverein lässt damit eine jahrzehntelange Tradition wieder aufleben.

Von Alexandra Leuthner

So ein Gockelwettkrähen schreit ja geradezu nach mehr oder weniger geschmacklosen Vergleichen Gockel gibt es schließlich genug, auch, aber nicht nur unter dem Federvieh. Aber lassen wir an dieser Stelle das respektlose Gegacker. Für die Veranstalter eines solchen Wettbewerbs, in diesem Fall der Geflügelzuchtverein Aßling, hat das Ereignis einen durchaus ernsten Hintergrund. Will man doch zum ersten Mal seit sieben Jahren, nach einer wegen EU-Auflagen nötigen Zwangspause, an eine Tradition anknüpfen.

1975 haben in Aßling erstmals die Hähne organisiert um die Wette gekräht. Man wolle auch auf den Verein aufmerksam machen, erklärt der Vorsitzende Georg Raig, auf seine Bedeutung für die traditionelle Landwirtschaft und das Geflügel natürlich, das dazu gehört. Und in früheren Zeiten sei es wohl auch darum gegangen, heraus zu finden, welcher Hahn der Beste ist, vermutet ein Mitglied des Zuchtvereins. Ob das Organ aber wirklich Rückschlüsse auf die familiären Qualitäten eines Gockels zulässt, da ist er sich selbst nicht so sicher.

Immerhin 170 Hühner- und Zwerghühnerrassen bilden die Familie der Rassehühner, verraten Prospekte, die neben der langen, hufeisenförmig angeordneten Reihe von Käfigen gestapelt sind. Mindestens 120 Menschen sind an diesem sonnigen Sonntagvormittag dem vielstimmigen Ruf der Hähne, von denen einige schon lange vor Beginn des Wettbewerbs kaum mehr an sich halten konnten, zum Feuerwehrgelände gefolgt. Nummer 24, ein Zwerghahn, ist längst heiser, als Georg Raig seine Eieruhr einschaltet und den Beginn der halben Stunde, in der es auf die Zahl der Hahnenschreie wirklich ankommt, ausruft.

Ein stimmgewaltiger Riesengockel legt dann auch einen perfekten Start hin, genau auf Raigs laut gerufenes "Los". War es der vom Singer Sepp? Oder eher der Hahn vom Maier Max? Wer als Ortsprominenter wie Frauenneuhartings Altbürgermeister oder Emmerings Gemeindeoberhaupt teilnehmen wollte, aber kein eigenes Federvieh aufzubieten hatte, bekam einen Hahn gestellt - und ein eigenes Schild an den Käfig des Kratzfußes, damit auch allen Besuchern klar ist, wer hier am lautesten kräht.

Der von Franz Hilger, früher Aßlings stellvertretender Bürgermeister, ist es jedenfalls nicht. Er gibt keinen einzigen Ton von sich - ebenso wie 19 andere der 49 Hähne auch . Überhaupt sind es am Ende von den "vier Prominenten nur zwei, die was z'rrissen ham", wie Raig bei der Siegerehrung süffisant anmerkt. Alois Speckbacher, Kreisrat der Bayernpartei, belegt mit seinem "Leasinggockel" Promirang zwei, Max Maier Rang eins, während Hilger leer ausgeht. "Das macht nix", versichert er, "der muss sich konzentrieren, schließlich warten daheim 23 ledige Damen auf ihn".

Als Gesamtsieger geht mi 71 Hahnenschreien Karli vom Platz. Ein eindrucksvolles Tier mit schwarz-weiß gesprenkelter Brust und hoch aufgerichteten Schwanzfedern. Karli ist ein Appenzeller Spitzhahn, erklärt sein Besitzer Sepp Kerschbaumer - der wohl nicht mit dem Erfolg seines schweizerischen Hausgenossen gerechnet hat. In kurzer Hose und gelbem T-Shirt hat er sich zu seinen trachtengewandeten Freunden gesetzt und geht sich fürs Siegerfoto erst einmal umziehen.

Karli, dessen Name sich auf dem Meldebogen wie "Kahn" liest, überflügelt nicht nur seinen mageren englischen Käfignachbarn sondern auch alle anderen Gockel am Platz, unter ihnen Holländer und einige Italiener - letztere werden ihrer guten Legeleistung wegen sehr geschätzt, wie Peter Forstmaier vom Zuchtverein erklärt. Auch die Nummer 13, ein mächtiger Gockel mit dicker Brust, der sehr verächtlich auf die Besucher blickt, kann gegen Karli nicht an. Breitbeinig wie Cristiano Ronaldo beim Freistoß steht er da. 17 mal immerhin hat er gekräht - und damit 17 mal mehr als der Hahn von Franz Hilger, der mit den 23 Hennen. "Daheim kräht der immer", versichert sein Besitzer, "immer wenn's Zeit ist". Oder, wenn er mal Zeit hat zwischendurch.

© SZ vom 23.06.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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