Glonn:Weniger Verkehr, mehr Betreuung

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Eng und unübersichtlich: die Glonner Ortsdurchfahrt gleicht einem Nadelöhr. Viele hätten dort deswegen gerne Tempo 30. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

In einem Pilotprojekt des Kreisbildungswerkes besprechen die Glonner die Zukunft ihrer Gemeinde und gründen eine Gruppe, in der sich Bürger zu verschiedenen Themen engagieren können

Von Anja Blum, Glonn

Wo drückt die Glonner der Schuh? Das herauszufinden, war Ziel eines offenen Zukunftsworkshops, zu dem die Marktgemeinde am Montagabend eingeladen hatte. Mit Erfolg: Etwas mehr als 30 Glonner aus allen Generationen kamen in den Bürgersaal, um sich rege an dem Prozess zu beteiligen. "Sie haben alle sehr konzentriert mitgearbeitet", lobte Claudia Pfrang vom Kreisbildungswerk (KBW) die Teilnehmer am Ende der gut zweistündigen Veranstaltung. Und die Glonner wiederum bezeichneten den Workshop als eine "wichtige Plattform" und die Diskussion als "sehr interessant und konstruktiv". Das Ergebnis lautet, kurz gesagt, dass die Glonner weniger Verkehr wollen, mehr Kinderbetreuungsplätze, günstigen Wohnraum, neue Mehrgenerationenkonzepte sowie weniger Flächenverbrauch.

Der Workshop ist jedoch kein singuläres Ereignis, sondern Teil eines Pilotprojektes: Die Gemeinde möchte einen sogenannten Teilhabekreis installieren, eine Gruppe von engagierten Bürgern, die in verschiedenen Arbeitskreisen Lösungen für drängende Probleme suchen. Das Besondere daran ist, dass dieses Gremium vor allem mit Menschen besetzt werden soll, deren Interessen bislang nicht oder nur unzureichend von irgendeiner Organisation vertreten werden: zum Beispiel Jugendliche, Familien, Senioren, Behinderte oder Migranten. Initiiert wurde das Projekt vom Kreisbildungswerk, das den Prozess, der sowohl in Glonn als auch in Kirchseeon angeschoben wurde, nun ein Jahr lang begleiten wird. Auch den Workshop moderierte KBW-Chefin Claudia Pfrang.

"Ich habe diesmal mal keine Präsentation vorbereitet, denn heute sollen Sie alle zu Wort kommen", sagte Pfrang zu Beginn. Doch ohne Konzept war die kompetente Moderatorin freilich nicht nach Glonn gekommen: Mit einem klar strukturierten Ablauf führte sie die Teilnehmer von der "Kritik" am Ist-Zustand über die Utopie - wie sollte das Leben in Glonn sein? - bis hin zu konkreten Lösungsvorschlägen und Projektideen. Für deren künftige Weiterentwicklung bat Pfrang am Ende alle Interessierten, ihren Namen zu hinterlassen. "Denn manchmal gibt es einfache Lösungen, die nicht viel kosten - und die entstehen meistens an der Basis", warb Pfrang für das Projekt.

Außerdem betonte sie, dass die Ergebnisse des Workshops von ihr dokumentiert und an die Gemeinde weitergereicht würden. "Und da landen sie dann in der Schublade oder gar im Papierkorb?", fragte ein Glonner besorgt. "Nein, ganz sicher nicht", versicherte Bürgermeister Josef Oswald (CSU), der dem Abend ansonsten als stiller Beobachter beiwohnte. Man werde die Ergebnisse auf jeden Fall veröffentlichen und auch im Gemeinderat berücksichtigen. "Aber klar ist auch, dass wir schauen müssen, was machbar ist. Wir haben nämlich leider noch immer keinen Schatz gefunden", so Oswald. Aber er sei froh über die gute Diskussion - und hoffe, künftig das eine oder andere bewegen zu können.

Deutlich wurde jedenfalls, dass der Verkehr in und durch Glonn mit Abstand als größtes Problem wahrgenommen wird, wobei es vor allem um die Sicherheit von Fußgängern und Radlern sowie um den Verkehrslärm geht. An zweiter Stelle im Malus-Ranking der Glonner steht der Mangel an Kinderbetreuungsplätzen, dicht gefolgt von zu hohem Flächenverbrauch, zu wenig bezahlbarem Wohnraum und fehlenden Mehrgenerationenkonzepten. Vermisst werden auch zusätzliche Rad- und Wanderwege, eine bessere Anbindung an den öffentlichen Nahverkehr, mehr Angebote und Flächen für Kinder, Jugendliche und Senioren, mehr Barrierefreiheit, ein schönes Dorfzentrum, sowie Rücksichtnahme, Solidarität und ein "Wir-Gefühl".

Nach der Kritik-Phase teilten sich die Teilnehmer in sechs Themen-Gruppen auf. Die Frage lautete: Welche Schritte sollten in zehn Jahren umgesetzt sein? "Tempo 30, das ist sicherer, leiser und eine günstige Lösung", sagten jene, die sich des Themas Verkehr angenommen hatten. Außerdem müsse man den Schwerlastverkehr eindämmen, zumindest nachts. Obendrein hätte diese Gruppe gerne Flüsterasphalt, mehr Querungshilfen und Radwege sowie einen Zuständigen für Verkehr bei der Gemeinde. Das gleiche gilt für das Team Kinderbetreuung, auch dieses hält einen speziellen Ansprechpartner für wichtig. Darüber hinaus wünscht man sich freilich eine hundertprozentige Deckung des Bedarfs in Krippe, Kindergarten und Hort, eine Qualitätsoffensive, adäquate Räumlichkeiten, die offene Ganztagsschule und den Erhalt der Mittelschule. Mehr Treffpunkte für alle Generationen wie eine Dorffeuerstelle, Ideen zur Vernetzung innerhalb der Ortsteile und neue Wohnformen wie eine Senioren-WG stehen auf der Agenda der Gruppe für Mehrgenerationenkonzepte. Für eine stärkere Verdichtung des Innenbereichs spricht sich die Flächenverbrauchs-Gruppe aus, zum Beispiel mit Mehrparteienhäusern. "Dann stünde auch gleich günstigerer Wohnraum zur Verfügung." Dazu müsse man jedoch erst einmal den baulichen Ist-Zustand genau analysieren. Darüber hinaus plädierte dieses Team für gemeindeübergreifende Konzepte, etwa bei Gewerbegebieten. Eine Kooperation, die auch beim Thema Verkehr schon angesprochen worden war. "Wenn viele Kommunen zusammen Tempo 30 fordern, bewegt sich da vielleicht endlich einmal etwas."

© SZ vom 29.04.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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