Glonn:Traumweber der Nacht

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Kontrabassist Sven Faller und Gitarrist Andreas Dombert verzaubern das Publikum in Gut Sonnenhausen mit ihrer "Night Music". (Foto: Endt)

Aus der Vorpremiere von Sven Fallers Projekt "Night Music" wird eine berührende Uraufführung

Von Ulrich Pfaffenberger, Glonn

"Die Nacht fördert zutage, was die Vernunft tagsüber nicht sehen will." Ein kluger Satz, den Sven Faller seinem Konzert "Night Music" voranstellt und das er anschließend mit einer Variation über das von Jim Jarmusch so einprägsam als Film inszenierte Thema "Night on Earth" eröffnet. Geschickt spielt der Musiker damit auf die veränderte, gelegentlich sogar gewaltig verschobene Wahrnehmung an, die uns beherrscht, wenn im Dunkeln die Augen nutzlos sind und andere Sinne die Ansagen machen, die unsere Seelen öffnen und unsere Fantasie befeuern. Auch in dem Raum des abendlichen Konzerts wäre Lichtlosigkeit hilfreich. Denn es steht und liegt viel Technik herum, die einen Menschen, dem Elektronik in der Musik weniger behagt, zunächst schaudern lässt. Da wirkt der hölzerne Kontrabass in der Mitte auf einmal sehr verloren.

Es kommt alles ganz anders, als das Vorurteil sich träumen lässt. Das hat auch damit zu tun, dass der Solist des Abends seinem Instrument auf eine Weise begegnet, wie man es zuvor nicht erlebt und nicht gehört hat. Er nimmt dem Bass alle Sperrigkeit und Schwere, lässt ihn so leicht werden, dass er mit dem kleinen Finger zu tragen wäre, und so transparent, dass sein Klang den Raum füllt und die Zuhörer in sich hineinzieht. Zunächst nur ein Verdacht, manifestiert sich im Lauf des Abends die Gewissheit: Der Bass ist nicht nur das Geräusch der Nacht, er macht sie erst zu dem, was sie sein soll.

Die Schwerelosigkeit von Melodien wie "Adria" - "Geschrieben in leicht irritierter Stimmung" - oder "Königin der Nacht" lebt nicht zuletzt von den beiden anderen Musikern, die Faller flankieren. Andreas Dombert pflegt zu seiner Gitarre ein ebenso inniges, vom Geist des Augenblicks beseeltes Verhältnis wie sein Bassist. Ein Mitgestalter, kein Mitspieler. Samuel Dalferth wiederum in gleichem Sinne geht mit den Schaltern und Reglern der "Electronics" so behutsam und sensibel zu Werke, dass die furchteinflößend kalte Technik sich in ein befeuerndes Instrument verwandelt.

"Weaver of dreams" heißt der zweite Titel des Abends: Die drei Traumweber verstehen ihr Handwerk meisterlich, knüpfen kunstvoll ihre Fäden zusammen und machen die Vorpremiere des Projekts "Night Music" zur berührenden Uraufführung. Da haben sich, überspitzt gesagt, zwei Begleitinstrumente und ein Computer aufgemacht, um ein neues Leben zu wagen, in dem sie den Ton angeben. Es gelingt ihnen mit überraschender Kraft und in bezwingender Schönheit. Wozu auch noch beiträgt, dass Sven Faller nicht nur über Melodien kommuniziert, sondern auch mit Geschichten. Wer sich der vielen bemühten Überleitungstexte erinnert, die einem andernorts schon zugemutet wurden, wird mitgerissen von einer gedanklichen, literarischen und erzählerischen Qualität des Künstlers. Hier verbinden sich Musik und Sprache zur Einheit. Ungekünstelt und nahbar, lebendig und glaubwürdig lässt Faller die Zuhörer teilhaben an den Gedanken und Erinnerungen, die ihn bewegen. Manche philosophisch wie "Die Irren", manche munter die Zeitläufte erklärend wie die über "Oma und Opa Laqueur".

In Gut Sonnenhausen war dies das zweite in einer neuen Reihe von Konzerten, unter der Überschrift "Da ist mehr als Musik drin", welche von Stefanie Boltz kuratiert wurden. Die modernen musikalischen Farben kontrastieren dabei anregend mit dem architektonischen Ambiente des Landhausstils. Weshalb das Programm sein Stammpublikum finden wird - und darüberhinaus auch für Gelegenheitsbesucher attraktiv ist. Die vier Dutzend Gäste an diesem Abend jedenfalls hörten sich beim Schlussapplaus so begeistert an, als dürfte der Hausherr sie auch beim nächsten Mal begrüßen.

Am Sonntag, 6. Dezember, wird die Jazz-Sängerin Lisa Wahlandt mit Band auf Gut Sonnenhausen ihr Weihnachtsprogramm "Home for Christmas" präsentieren. Sie hat Weihnachtslieder und Christmassongs neu arrangiert. Zum Konzertprogramm ist ein Album entstanden. Begleitet wird Wahlandt von Azhar Kamal, Gitarre, Jan Eschle, Klavier, und Sven Faller, Kontrabass. Beginn ist um 20 Uhr. Kartentelefon: (08093) 57770

© SZ vom 26.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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