Glonn:Neue Nachbarn

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Viele Glonner zeigen Interesse am Leben der minderjährigen Flüchtlinge in ihrer Gemeinde. Diese vermissen in ihrer Wohnung vor allem einen kostenlosen Internetzugang

Von Anja Blum, Glonn

Gemütlichkeit, dieser berühmte deutsche Zustand, sieht irgendwie anders aus. Noch sind die Wände kahl, nirgends Bilder oder Fotos, und auch sonst findet sich kaum etwas, das den Räumen Atmosphäre verleiht. Keine Pflanzen am Fenster, keine Fußballpokale oder anderer Krimskrams im Regal. "Aber das wird sich bald ändern", sagt Carolin Kausche vom Ebersberger Jugendamt, die für die Unterbringung der minderjährigen unbegleiteten Flüchtlinge im Landkreis zuständig ist. "Meiner Erfahrung nach gestalten die Jugendlichen ihre Zimmer sehr schnell ganz individuell." Und an diesem Nachmittag wird die Leere in der Glonner Unterkunft ohnehin gefüllt - mit Leben, Begegnung und Herzlichkeit.

Die Gemeinde und das Jugendamt haben eingeladen zu einem Tag der offenen Tür, damit sich die Glonner selbst ein Bild machen können von ihren neuen Nachbarn, und die Bevölkerung macht von dem Angebot regen Gebrauch. Immer wieder steigen Interessierte die Treppe herauf, kommen mit den jungen Asylbewerbern ins Gespräch, werden von ihnen in der Wohnung herumgeführt, bieten ihre Hilfe an. Am Buffet gibt es Häppchen und Obst, sogar das ein oder andere Match am Kickertisch wird ausgefochten, dazwischen sausen Glonner Kinder umher.

Räder, Laptops, Lernprogramme: Die Ideen der Glonner, wie man den minderjährigen Flüchtlingen den Start erleichtern könnte, sind zahlreich. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Über dem Autohaus Steinbeißer, in den Räumen eines ehemaligen Fitnessstudios, haben zwölf minderjährige Flüchtlinge zwischen 15 und 18 Jahren, die ohne Eltern in Deutschland angekommen sind, eine neue Bleibe gefunden. "Hier endet eine Odyssee - und hier beginnt eine neue Reise, die Sie in ein friedliches, selbständiges Leben führen soll", sagte Jugendamtsleiter Christian Salberg. Auch Glonns Bürgermeister Josef Oswald (CSU) zeigte sich froh über die zentral gelegene Unterkunft, die nur ein paar hundert Meter vom Marktplatz entfernt ist. "So können Sie gut am Dorfleben teilnehmen - und das ist sicher der beste Start." An die Glonner appellierten Salberg und Oswald, die Jugendlichen in die Gemeinschaft aufzunehmen, von spontanen Besuchen jedoch abzusehen. "Das ist eine Privatwohnung, die man nur auf Einladung aufsuchen sollte", so der Bürgermeister. Bei möglichen Problemen könne man sich an die Betreuer des Jugendamtes wenden, erklärte Salberg: ein etwa zehnköpfiges Team, das sich fast rund um die Uhr um die Jugendlichen kümmert.

"Es ist gut, dass wir so viele sind, denn jeder setzt andere Schwerpunkte", sagt Carolin Kausche. Außerdem könne sich so jeder Jugendliche den Betreuer suchen, der am besten zu ihm passe. Möglich sei ein Leben in Einrichtungen wie dieser bis zu einem Alter von 21 Jahren. Unterrichtet werden die minderjährigen Flüchtlinge in Zinneberg. Die Herkunftsländer der zwölf Jungs in der Glonner Unterkunft sind zahlreich: Sie stammen aus Eritrea, Somalia, Sudan, Afghanistan, Syrien, Irak oder Pakistan. Und genau so verschieden wie ihre Wurzeln ist auch ihr Verhalten an diesem Nachmittag: Viele sind offen und freundlich, gehen auf die Gäste zu, andere wiederum machen eher einen introvertierten Eindruck oder ziehen sich ganz zurück.

Duell der Gastgeber: Jugendamtschef Christian Salberg und Bürgermeister Josef Oswald kickern gegen zwei der Bewohner. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Im Gespräch wird jedoch eines schnell klar: Sie alle wünschen sich einen kostenlosen Internetzugang in ihrer Wohnung. "Das ist einfach wichtig, um den Kontakt zur Familie zu Hause und zu Freunden zu halten", sagt ein 15-Jähriger aus Eritrea. Außerdem würde es helfen, die Langeweile zu vertreiben, vielleicht auch die bösen Geister der Vergangenheit. "Aber es ist nicht erlaubt - wieso?" Den Zuständigen ist der Wunsch durchaus bekannt: "Wir wollen da eine Lösung, aber nichts übers Knie brechen", sagt Stefanie Geisler, Leiterin der Abteilung Soziales. Das größte Problem dabei sei die Frage der Haftung: "Wir wissen ja nicht, was die Jugendlichen dann alles runterladen." Außerdem müsse man hier eine Regelung finden, die für alle Einrichtungen gelte, denn die Gleichbehandlung sei oberstes Gebot. Geplant sei, das Thema bei der nächsten Bürgermeisterdienstbesprechung zu behandeln.

© SZ vom 03.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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