Glonn:Feudaler Landsitz wird Kloster

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Heimatchronist Hans Huber arbeitet die Geschichte von Schloss Zinneberg von 1927 bis 1945 auf

Von Max Nahrhaft, Glonn

Als im Jahr 1 235 Schloss Zinneberg das erste Mal schriftlich erwähnt wurde, da stand wahrscheinlich noch nicht fest, welch altruistischen Zwecken das Bauwerk einmal dienen sollte. Ein sozialpädagogisches Ziel verfolgten allerdings schon die Ordensschwestern, die seit 1 927 in den feudalen Gemäuern wohnten, und noch heute findet sich im Gebäude eine Förderschule, an der die Jugendlichen den Mittelschulabschluss nachholen oder ein Handwerk erlernen können.

Der ehemalige Rektor der Schule, Hans Huber, hat sich nicht nur um die Bildung verdient gemacht, sondern ist auch Chronist der herrschaftlichen Anwesen nahe der Gemeinde Glonn. Der 75-jährige Heimatkundler hat eine Vielzahl an Büchern und Heften über die Geschichte des Schlosses verfasst. Nun hat er in mühsamer Detailarbeit die Geschichte von Zinneberg von 1 927 bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs 1 945 aufgearbeitet. "Die Geschichte des Hauses hat mich schon immer interessiert", sagt Huber. Mehrere Tage hat er im Staatsarchiv verbracht und dort Akten gesichtet. Sein Antrieb sei die Neugierde, wie er sagt, es mache ihn zufrieden, Unbekanntes zu entdecken.

Das Jahr 1 927 war ein Wendepunkt in der Geschichte des Anwesens. Denn das ehemals feudale Schloss wurde in ein Kloster für die Schwestern des Ordens vom Guten Hirten umgewandelt. Der Orden aus München war damals auf der Suche nach einem Landgut, wo die Nonnen als Selbstversorgerinnen leben konnten. Im selben Jahr initiierte Pfarrer Kaspar Wurfbaum aus dem benachbarten Bruck den Protest gegen die lokalen Großgrundbesitzer. Einer jener Herren war Baron Adolph von Büsing-d'Orville, der Besitzer des Schlosses. "Durch die Aufstände der einfachen Land-Bevölkerung hat der Baron zusehends das Interesse an seinem Besitz verloren, und er hat diesen schließlich zum Verkauf angeboten", sagt Huber. Die Schwestern erwarben dann gemeinsam mit Kardinal Michael Faulhaber die Besitztümer von Zinneberg, Sonnenhausen und Altenburg für den stolzen Preis von 735 000 Mark.

Die fast 700-jährige Geschichte der Adelsgeschlechter auf dem Schloss war beendet, die Kirche hielt Einzug in den Gemächern des Barons. Die Schwestern verschrieben sich der Unterstützung obdachloser Mädchen und Frauen, die sie schulisch ausbildeten und denen sie Arbeitsplätze anboten. Zu Beginn waren 23 Schülerinnen in den Gebäuden untergebracht. Dafür waren einige Umbauten nötig: Aus dem Jagdsaal wurde eine Kapelle, herrschaftliche Räume mussten Klassenzimmern weichen, der Burghof wurde zum Spielplatz. Auch das Gestüt Sonnenhausen wurde zum Landwirtschaftsbetrieb umfunktioniert. "Wo früher die Reitpferde gepflegt wurden, suhlten sich nun Schweine neben dem Kuhstall", sagt Huber. Denn von nun an stand weniger die bourgeoise Vergnügung, als vielmehr die klösterliche Selbstversorgung im Mittelpunkt. Unter diesen Umständen wurde den jungen Frauen im Kloster eine hervorragende Ausbildung geboten.

Da über die Jahre die Zahl der Schülerinnen anstieg, wurden die Räume irgendwann zu klein. So errichtete man 1936 das neue Haus "St. Michael", in dem Klassenzimmer, Handwerksräume und Unterkünfte für 90 Mädchen Platz fanden. Im Folgejahr zählte die Schule 111 junge Frauen, die auf ihren Volksschulabschluss hinarbeiteten oder einen haus- oder landwirtschaftlichen Beruf erlernten.

Die zweite Zäsur in der Geschichte von Zinneberg war die Einflussnahme des NS-Regimes. Denn die Klosterschwestern mussten sich gleich mehrfach gegen die Faschisten wehren. Die riesigen Ausmaße des Klosters weckten Begehrlichkeiten bei führenden Kadern der NSDAP. Der Münchner Polizeipräsident Christian Weber wollte auf Gut Sonnenhausen seine Pferde unterbringen. Der zu dieser Zeit amtierende Ebersberger Landrat Ulrich hatte vor, dort eine Lehrerbildungsanstalt im Sinne der NS-Ideologie zu etablieren. Außerdem plante der HJ-Obergebietsführer Emil Klein, ein Nationalsozialist der ersten Stunde, im Kloster die Kinder der Hitlerjugend spielerisch auf den Militärdienst vorzubereiten.

Doch keiner der Pläne konnte verwirklicht werden, was einerseits am Verhandlungsgeschick der Klosterschwestern lag, andererseits daher rührte, dass mit Kriegsbeginn Zinneberg als Lazarett dienen musste. Obwohl zeitweise fast 400 im Krieg verwundete Soldaten versorgt werden mussten, schafften es die Schwestern weiterhin, den Schulunterricht aufrecht zu erhalten. Zwar musste das Kloster diese Last stemmen, blieb aber aufgrund des gut sichtbar auf dem Dach des Gebäudes angebrachten roten Kreuzes von Luftangriffen der Alliierten verschont. "Die Schwestern haben sehr diplomatisch mit dem NS-Regime verhandelt", erklärt Huber. "Sie haben sich zwar nicht offen von der Ideologie distanziert, haben aber mit allen Mitteln versucht, für die Schülerinnen im Kloster zu sorgen".

Die Informationsbroschüre "Schloss Zinneberg wird Kloster und Jugendhilfeeinrichtung" von Hans Huber ist im Klosterladen Zinneberg erhältlich. 50 reich und teils farbig-bebilderte Seiten, Preis: 4,50 Euro. Die ebenfalls opulent bebilderte Geschichte von Schloss Zinneberg von den Anfängen 1235 bis 1927 von Hans Huber ist unter dem Titel "Die Adelsgeschlechter auf Schloss Zinneberg" erschienen.

© SZ vom 04.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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