Glonn:Die Frage der Verantwortung

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Nach dem Lawinenunglück in Tirol gerät der WSV Glonn in die Kritik

Von Anselm Schindler, Glonn

Beim Wintersportverein Glonn herrscht immer noch Ausnahmezustand: Seit am vergangenen Sonntag ein 14-jähriges Mitglied des Vereins beim Skitraining in Tirol von einer Lawine verschüttet wurde, erreichen den Verein wütende E-Mails und Anrufe. Kritisiert wird dabei vor allem, dass das Schüler-Team trotz Lawinenwarnstufe drei im freien Gelände unterwegs war. Stefanie Pitsch, Leiterin der Schneesportschule Zorneding wirkt irritiert, wenn man sie nach ihrer Meinung zu den Umständen des tödlichen Lawinenabgangs fragt: "Das sagt einem doch der Menschenverstand, dass man bei so einem Wetter nicht abseits der Piste fährt", erklärt Pitsch. Die Gruppe des WSV Glonn war rund 100 Meter neben der regulären Piste unterwegs als sich durch einen Sturz des 14-Jährigen das tödliche Schneebrett löste.

Geht es nach dem Vorsitzenden des WSV Glonn, Josef Axenböck, dann gehört der Fahren im Tiefschnee zum Trainingsplan, "aber natürlich muss man Vorsicht walten lassen", erklärt Axenböck. Fraglich ist angesichts des Unglücks auch, ob der Jugendliche mit einer Lawinenausrüstung hätte früher gerettet werden können. Denn ein Anruf bei der Tiroler Polizei ergibt: Die Schüler und der 25 Jahre alte Trainer waren mangelhaft ausgerüstet. "Im freien Gelände muss man schon die richtige Ausrüstung dabei haben", erklärt Herbert Neumaier, Leiter der Ski-Schule Neumaier in Markt Schwaben. "Bereits nach zehn Minuten sind 80 Prozent der Verschütteten tot", so der Ski-Profi. Mit den richtigen Geräten könnten Lawinenopfer gerettet werden, schon bevor Einsatzkräfte anrücken, erklärt Neumaier. Ein Suchgerät für Verschüttete, eine Schaufel und eine Sonde zählten seien im Tiefschnee ein Muss, sie können Leben retten.

Die Mahnung nach einer besseren Ausrüstung gehört zum Standard-Repertoire dessen, was nach einem solchen Unglück gesagt wird. Wie ernst die Sicherheitsvorkehrungen in der Praxis genommen werden, lässt sich nur schwer überprüfen. Doch immerhin: Die Qualifikation von Ski-Trainern und Lehrern ist überprüfbar. Man lege großen Wert auf die Ausbildung der Skilehrer, auch in einer internen Ausbildung würden sie zu Beginn der Saison geprüft, erklärt Skischul-Leiterin Stefanie Pitsch. Und Voraussetzung sei auch, dass die angehenden Lehrer Level 1 der Skilehrer-Ausbildung beim deutschen Skilehrerverband absolviert hätten. Zu dieser Ausbildung gehört der Nachweis großer Vorkenntnisse sowie eine dreitägiger Kurs und eine abschließende Prüfung.

In der Praxis allerdings sind Ski-Lehrer nicht immer dementsprechend geprüft, bei Engpässen würden auch Hilfskräfte eingestellt, moniert Peter Hennike, Geschäftsführer des deutschen Skilehrerverbandes. Freilich schützt auch eine ausreichende Ausbildung nicht per se vor Fehlern, auch der Trainer des Glonner Schüler-Teams hatte eine Ausbildung nach Level 1 absolviert.

Die Trauer um den jungen Vaterstettener, der in den Schneemassen erstickte, wird überschattet von der Schuldfrage, die Vorwürfe, mit denen der Verein konfrontiert ist, sind Salz in die noch frische Wunde. Die Kinder, die beim Unglück dabei waren, und der Trainer, gegen den wegen des Verdachts der fahrlässigen Tötung ermittelt wird, werden derzeit von einem Kriseninterventionsteam betreut. Wie der Verein künftig mit dem Tiefschneefahren umgeht, ist noch offen. Klar ist nur: Der Weg in die Normalität wird schmerzhaft, gerade wegen der Vorwürfe. Rückendeckung bekommt der Verein derweil vom Chef des Bayerischen Skiverbandes, Manfred Baldauf. Er kritisiert, dass in dem Fall vorschnelle Schlüsse gezogen würden. Er wirft den Kritikern vor, Urteile zu fällen, obwohl die Sachlage noch unklar sei. Die Schuldfrage müsste von Juristen geklärt werden, betont Baldauf.

Das Unglück am Nordost-Hang des Drisslkopfes in den Zillertaler Alpen zieht immer weitere Kreise, es geht auch an den Ski-Schulen im Landkreis nicht spurlos vorbei. "Das trifft uns natürlich sehr", sagt Schulleiterin Pitsch. Auf die Zahl der Anmeldungen aber habe der Todesfall keine Auswirkungen, so Pitsch, "die Leute können da differenzieren". Den 15 Ski-Lehrern, die an der Schneesportschule Zorneding arbeiten sagt Pitsch, werde auch regelmäßig eingebläut, dass sie sich nur auf abgesicherten Pisten bewegen sollten.

© SZ vom 23.01.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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