Glonn:Der längste Atem der Welt

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Viel geboten ist in der Kirche von Kloster Zinnberg: Orgel, Oboe, Streicher und Chor. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Orgel plus Oboe, Chor und Orchester: Die Musikschule präsentiert in der Klosterkirche auf Schloss Zinneberg Musik des 17. und 18. Jahrhunderts

Von Peter Kees, Glonn

Die Orgel wird ja gerne als die Königin unter den Instrumenten bezeichnet, schließlich ersetzt ihr Pfeifenwerk im Grunde ein ganzes Orchester. Als Kircheninstrument durchzieht die Orgel beinahe die gesamte christliche Kultur. Allerdings nicht von Beginn an, denn zunächst ist sie eher verpönt: Die Römer untermalen ihre grausamen Arenakämpfe, bei denen auch Christen starben, mit Orgelmusik. Bevor sie Einzug in die christlichen Kirchen hält, wird die Orgel außerdem als rein profanes Instrument für kaiserliche Zeremonien verwendet. Erst im Laufe des 9. Jahrhunderts beginnen erste Kirchen in Westeuropa, sich Orgeln anzuschaffen. Ab dato ist ihr Siegeszug nicht mehr aufzuhalten und gipfelt im Barock und der Romantik. Das erste orgelartige Instrument soll übrigens bereits 264 vor Christus in Griechenland konstruiert worden sein.

Heute ist das klangfarbenreiche Musikinstrument aus keiner christlichen Kirche mehr wegzudenken. Neben dem liturgischen Gebrauch konzertieren diverse Organisten auf dem Instrument mit dem längstem Atem der Welt. So auch in der Klosterkirche auf Schloss Zinneberg, die erst 2008 eine neue Orgel erhalten hat. Am Sonntag luden die Schwestern vom Guten Hirten und die Musikschule dort zu einem Orgelkonzert plus Oboe, Chor und Streicher ein.

Hauptwerk des Abends war Joseph Leopold Eyblers (1765 bis 1846) "Missa Sancti Alberti". Der Mozart-Zeitgenosse und Haydn-Schüler war Chordirektor und neben Antonio Salieri Vizehofkapellmeister in Wien; nach Salieris Pensionierung sogar Hofkapellmeister. Und tatsächlich meinte man, in seiner Messe - vor allem in den Allegro-Teilen des Sanctus und des Benedictus - Mozartanklänge zu hören. Der Kammerchor Con Moto, begleitet von Streichern und Orgel und unter Leitung von Benedikt Haag, interpretierte diese Missa Sancti Alberti mit ausgewogener Schönheit und facettenreichem Klangreichtum. Ohnehin zeichnet sich Haag ganz offensichtlich als wundervoller Chorleiter aus: Er ist gestalterisch stark, vermag dynamisch gut auszuloten, findet treffsichere Tempi und leistet exzellente Stimmarbeit.

Im Zentrum aber stand die Orgel - "Orgel plus" war ja die Idee. Und so eröffnete dieses Instrument das Konzert solistisch: mit einem Concerto in G-Dur von Bach - einer Bearbeitung eines Werks für Solovioline und Streichorchester von Herzog Johann Ernst von Sachsen-Weimar. Und am Orgelspieltisch saß ein alter Bekannter, Thomas Pfeiffer, der 1997 den Kammerchor Con Moto gegründet und ihn bis 2010 geleitet hat. Die Fülle der Orgel sowie das komplexe Werk Bachs lagen also in kompetenten Händen.

Neben Orgel und Chor durchzogen Werke für Oboe und Orgel die Dramaturgie des Abends. Eyblers Messe wurde mit Oboenklängen eingerahmt und sogar durchbrochen. Nach der Bachschen Orgeleinleitung sowie einer Motette für Chor und Basso Continuo, Bachs "Lobet den Herrn, alle Heiden", erklang ein Konzert für Oboe und Orchester in d-moll von Alessandro Marcello (1684 bis 1750), das Oboenkonzert schlechthin: Es gilt als Archetypus, ist es doch das erste richtige virtuose Oboenkonzert der Geschichte. Sogar Bach hatte sich das Werk seines Zeitgenossen kommen lassen, um es für Cembalo solo zu arrangieren.

Der auf Sylt geborene Oboist Dirk-Michael Kirsch interpretierte es mit bravourösem Ton und zarten Klängen, von Pfeiffer an der Orgel begleitet. Mehr davon wollte man hören. Und das gab es bald, nämlich eine Sonate für Oboe und Orgel des Dresdner Komponisten Gottfried August Homilius (1714 bis 1785). Auch hier war die Schönheit des warmen Oboenklangs unbestechlich, zudem beherrscht Kirsch sein Instrument technisch höchst versiert. Und noch einmal Oboe: eine Bach-Sonate, BWV 1020. Dieses Werk, eigentlich für Flöte und Cembalo geschrieben, stammt aber gar nicht aus der Feder Johann Sebastian Bachs, sondern ist eine Komposition seines zweitältesten Sohnes Carl Philipp Emanuel. Erst Handschriftanalysen hatten diesen Irrtum aufgeklärt. Zum Abschluss dann alle zusammen - Orgel, Chor, Oboe und der kleine Streicherapparat - mit einem echten Bach, und einem allzu bekannten obendrein: dem Choral "Jesus bleibet meine Freude". Was für eine solche!

© SZ vom 28.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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