Gewerkschaften:Geschichte und Zukunft

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Christiane Kern von den DGB-Frauen (links) und Kreisvorsitzende Eva Maria Vollandt. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Beim DGB-Jahresempfang geht es um Revolutionen - vergangene und kommende

Von Wieland Bögel, Grafing

Fast ein Jahrhundert ist es her, als eine Revolution Bayern erschütterte, eine andere Revolution spielt sich tagtäglich fast unbemerkt ab, die Veränderung der Arbeitswelt. Um beide ging es nun am Mittwochabend beim Jahresempfang des DGB-Kreisverbandes in Grafing. Passend zum 99. Todestag von Kurt Eisner erinnerte DGB-Kreisvorsitzende Eva Maria Volland vor knapp 25 Teilnehmern an diese "wichtige Persönlichkeit des 20. Jahrhunderts". Vieles, was der erste bayerische Ministerpräsident und seine Revolutionäre auf den Weg gebracht hätten, ist heute selbstverständlicher Bestandteil der Demokratie.

Etwa die Gleichberechtigung und das 1918 eingeführte Frauenwahlrecht. Über dessen Geschichte referierte Christiane Kern, Vorsitzende der DGB-Frauen München. Sie erinnerte an die schwierigen Bedingungen, unter denen Frauen nach dem Ersten Weltkrieg - aber auch bis in die jüngere Vergangenheit - am politischen und gesellschaftlichen Leben teilnehmen konnten. So galt die Gleichberechtigung in der Weimarer Zeit nicht absolut, sondern nur "grundsätzlich". In der Praxis durften Frauen bestimmte Berufe nicht ausüben, Beamtinnen durften nicht heiraten, und wenn Ehefrauen arbeiten wollten, brauchten sie dazu die Zustimmung des Gatten - ein Gesetz, das bis in die Bundesrepublik überlebt hatte und erst 1977 abgeschafft wurde.

Wenn Frauen unter diesen Bedingungen sogar Politik machen wollten, "mussten sie ein verdammt dickes Fell haben", sagte Kern. Wenig verwunderlich also, dass etwa im 1918 erstmals frei gewählten bayerischen Landtag von 180 Abgeordneten nur sieben Frauen waren - wenig besser war das Verhältnis in der Nationalversammlung, mit 37 Frauen bei 423 Abgeordneten. Nach dem Zweiten Weltkrieg lag der Frauenanteil noch niedriger: Vier Parlamentarierinnen gab es im 1946 gewählten bayerischen Landtag, 29 im ersten Bundestag. Zwar ist dieser Anteil inzwischen angestiegen - angesichts von 52 Prozent Frauenanteil bei den Wahlberechtigten seien weibliche Abgeordnete immer noch unterrepräsentiert, so Kern. Aktuell seien 29 Prozent der Landtags- und 30 Prozent der Bundestagsabgeordneten weiblich, "die Gleichberechtigung ist noch nicht erreicht". Ganz im Gegenteil. Kern mahnte zur Wachsamkeit, damit durch das Erstarken von Rechtspopulisten wie der AfD, "das Erreichte nicht wieder zurückgedreht" werde.

Aber auch die Frauen selbst müssten sich mehr solidarisieren, forderte der Grafinger SPD-Stadtrat Franz Frey, er erlebe es öfter "dass Frauen Frauen Kompetenz absprechen". Dies zeige sich leider auch etwa bei Listenaufstellungen, sagte Kern, wenn Frauen männliche Kandidaten bevorzugten. Darum sollten am besten alle Parteien ein Quoten-System wie bei den Grünen einführen, schlug Ottilie Eberl, Grünen-Bezirkstagskandidatin, vor. Dazu brauche es allerdings ein Umdenken, meinte Linken-Bezirkstagskandidat Lukas Schmid, "gerade in konservativen Kreisen gelten Frauen doch immer noch als Anhängsel der Männer." Was sich nur durch Bildung aus der Welt schaffen lasse, meinte Stellvertretender Landrat Toni Ried. Wichtig für echte Gleichberechtigung sei auch "ein unverkrampfter Umgang zwischen den Geschlechtern."

Der Umgang zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern war dann das Thema von Dimitrios Zebos, Betriebsratsvorsitzender bei OCE in Poing. Vor dem Hintergrund der anstehenden Wahlen der Betriebsräte sprach er darüber, wie sich diese Aufgabe verändert habe. Früher sei es meist um Arbeitszeiten und Gehalt gegangen, heute müssen sich Betriebsräte mit Fragen zu Digitalisierung, Datenschutz oder der Umstellung ganzer Abteilungen auf die Arbeitssprache Englisch befassen. Wichtig sei daher, dass mehr junge und auch höher qualifizierte Arbeitnehmer Betriebsräte werden wollen. "Wir müssen diese Herausforderungen annehmen - sonst machen die Firmen, was sie wollen." Wobei viele inzwischen den Wert betrieblicher Mitbestimmung erkannt hätten, sagte Zebos. Gerade in Zeiten des Fachkräftemangels würden einige bereits damit werben, dass es bei ihnen Tarifverträge und Betriebsräte gibt.

© SZ vom 23.02.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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