Gesundheitsregion plus:Bewusster Selbstschutz

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Eine Plastikscheibe schützt das Glas vor ungewollten Zugaben, dasselbe soll ein Kunststoff-Pfropfen bei Getränkeflaschen leisten. (Foto: privat)

Im Landratsamt soll es künftig kostenlose Schutzdeckel gegen K.o.-Tropfen für Flaschen und Becher geben

Von Jonas Wengert, Ebersberg

Zuerst kommen Schwindelgefühl und Übelkeit, dann Kontrollverlust, später Bewusstlosigkeit. Am nächsten Morgen blockiert ein Filmriss jegliche Erinnerung an die vergangenen Stunden. So oder so ähnlich kann ein klassischer Alkoholabsturz skizziert werden. Es gibt jedoch Verdachtsfälle, bei denen mehr als nur Bier oder Cocktails für ausfallartige Zustände verantwortlich sein könnten. Wem so genannte "K.o.-Tropfen" verabreicht werden, der wird innerhalb kürzester Zeit willenlos und leicht manipulierbar. Im Landkreis möchte man der potenziellen Gefahr nun mit verstärkter Prävention entgegentreten. Wie das geschehen soll, haben die Mitstreiter einer gemeinsamen Initiative von Vertretern des Landratsamts, der "Gesundheitsregion Plus" und der kommunalen Jugendarbeit bei einem Pressegespräch erläutert.

"Es gab dieses Jahr mehrere Fälle, wo wir mit ziemlicher Sicherheit wissen, dass K.o.-Tropfen im Spiel waren", berichtete Martin Ache, Leiter des "Weißen Rings" in Ebersberg. Doch genau hier liegt das Problem. Mit absoluter Sicherheit lässt sich der Verdacht selten belegen, da die Substanz wenige Stunden nach der Einnahme im Blut nicht mehr nachweisbar ist. Deswegen sei es wichtig, zu sensibilisieren und auf das Thema präventiv aufmerksam zu machen, stellte Landrat Robert Niedergesäß (CSU) fest. So sind künftig Präventionsmaterialien für öffentliche Feiern im Landratsamt kostenlos erhältlich. Dabei handelt es sich zum einen um so genannte "Spikeys": Plastik-Pfropfen die in Flaschenhälse gesteckt werden und die Öffnung abgesehen von einer Aussparung für Strohhalme abdichten sollen. Zum anderen wurde in Kooperation mit dem Ebersberger Jugendzentrum auch nach einem Schutz für offene Getränke in Bechern gesucht. Am Ende entschied man sich für ein Produkt aus Österreich namens "BSafe Disc", ein beschichteter Papierkreis, durch den mittig ein Trinkstäbchen gesteckt wird und der darum herum den Rest des Glases abdeckt.

"Wir haben schon länger über Maßnah-men gegen K.o.-Tropfen-Missbrauch diskutiert", berichtete Bernhard Wacht, Teamleiter im Bereich präventive Jugendhilfe im Landkreis. Die mutmaßliche Gruppenvergewaltigung einer Freiburger Studentin Mitte Oktober, bei der das Betäubungsmittel verabreicht worden sein könnte, sei der Anstoß gewesen, nun aktiv zu werden. Für die Organisation und Finanzierung zeichnet die Abteilung "Gesundheitsregion Plus" im Landratsamt verantwortlich.

Ingo Pinkofsky ist Kommunaler Jugendschutzbeauftragter und geht von einer hohen Dunkelziffer an Opfern aus. Wenn es jemand darauf anlegt, so Pinkofsky, würden wohl auch "Spikey" und "BSafe Disc" nicht verhindern, dass einem etwas ins Getränk gemischt wird. Um absolute Sicherheit gehe es aber auch nicht. "Es ist ein wirksames Symbol, das Aufmerksamkeit erregt und Gedanken anstößt", fügte er hinzu.

Pinkofskys forderte jedoch auch ein Handeln der Politik, denn zum Teil fallen Flüssigkeiten, die als K.o.-Tropfen verwendet werden wie Gammabutyrolacton (GBL), nicht unter das Betäubungsmittelgesetz, da sie auch in anderen Produkten, beispielsweise Reinigungsmitteln, vorkommen. "Wenn schon Besitz und Handel der Substanzen nicht illegal ist, dann müssen sie eben so verändert werden, dass sie nicht mehr zur Betäubung verwendbar sind", sagt Pinkofsky. Beispielsweise könnten die Hersteller Farb- oder Bitterstoffe beifügen, so dass man das Mittel im Getränk sofort bemerkt.

Vor allem unvorsichtige Jugendliche sind gefährdet, unfreiwillig betäubt zu werden. Teresa Emmert und Julius Gassert sind beide 17 Jahre alt und besuchen das Gymnasium in Grafing. Die Zwölftklässler setzen sich dafür ein, dass die Präventionsmittel des Landkreises auch bei ihren Oberstufen-Partys künftig samt Getränk ausgegeben werden. Er persönlich habe zwar keine Angst, erklärte Gassert, "etwas passieren kann aber theoretisch immer." Es gehe darum, auf die Gefahr hinzuweisen und Feiernden Tipps zu geben. "Das Glas einfach nicht unbeaufsichtigt rumstehen lassen", führte Emmert an, und wenn man das Getränk doch mal aus der Hand gibt, um eine Runde auf der Tanzfläche zu drehen, dann nur an Freunde, denen man wirklich vertraue.

© SZ vom 26.11.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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