Gesundheit:Ebersberg wird Zentrum für Telemedizin

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Wie können Patienten auf dem Land von Spezialisten behandelt werden, die entfernt arbeiten? In Ebersberg arbeitet man mit Telemedizin - das Vorhaben soll bayernweit Schule machen.

K. Kampwerth

Eines stellt Willi Daniels von vorneherein klar: Bei der Telemedizin geht es nicht um operierende Roboter oder die Abschaffung der Arztpraxis. Im Gegenteil. Wenn Daniels im September Sprecher des dann zu gründenden bayerischen Landesverbandes der Deutschen Gesellschaft für Telemedizin wird, will er sich dafür einsetzen, dass nicht nur Patienten in der Kreisstadt, sondern genauso in Aßling oder Glonn die beste Behandlung durch Spezialisten erhalten, die vor Ort nicht verfügbar sind. Das Vorhaben soll bayernweit Vorbild für die medizinische Betreuung in ländlichen Regionen werden und wird von der Kreisklinik unterstützt.

"Wir machen bereits gute Erfahrung mit der Telemedizin", sagt deren ärztlicher Direktor Dr. Hans Leonhard Schneider. Davon profitieren bislang Schlaganfallpatienten innerhalb des Projektes "Tempis". Die Kreisklinik ist dabei mit den Schlaganfallzentren in München-Harlaching und Regensburg vernetzt. "Das garantiert dem Patienten auch bei uns bestmögliche Behandlung ohne Zeitverlust", lobt Schneider.

Konkret werden Patienten mit Verdacht auf Schlaganfall in der Kreisklinik auf speziellen Überwachungsplätzen untersucht. Alle wesentlichen Daten von der Messung der Gehirnströme bis hin zu den Aufnahmen von Ultraschall und Computertomographen werden per schneller Datenleitung zeitgleich an die Experten weitergeleitet, die den Ebersberger Ärzten in Diagnostik und Therapie zur Seite stehen.

Schneider bezeichnet die Telemedizin als "Technik der Zukunft", deren Ausweitung auch auf die Kardiologie oder die Palliativmedizin wünschenswert sei. "Wenn wir hier in der Nacht ein Problem haben, können wir uns selbst mit dem Experten in Amerika absprechen, der zur normalen Tageszeit an seinem Schreibtisch sitzt", erklärt Schneider die Vorteile.

Diabetiker häuslich betreuen

Daniels, der auch Patientensprecher der Kreisklinik ist und dem Verein "palliaHOMEmed" vorsteht, will die telemedizinische Betreuung zunächst in der ambulanten Palliativversorgung etablieren, um todkranken Patienten das Sterben zuhause zu ermöglichen. Via Computer sollen Palliativmediziner aus der Kreisklinik die Behandlung, die sich auf die Linderung der Beschwerden konzentriert, steuern. Ferndiagnosen würden mittels elektronischer Patientenakten mit allen bisherigen Behandlungsergebnissen möglich. "Das schafft Sicherheit für Angehörige und Pflegekräfte", sagt Daniels.

Die Deutsche Gesellschaft für Telemedizin führt weitere Möglichkeiten auf. So könnten Diabetiker häuslich betreut werden, indem sie ihre Insulinwerte über Computer an den Facharzt übermitteln. Auch werdenden Müttern mit einer Risikoschwangerschaft blieben Krankenhausaufenthalte erspart, weil mittels Telemonitoring über einen drahtlosen Bauchgurt Bilder des ungeborenen Kindes permanent in die pränatale Diagnostikabteilung übermittelt werden. Bei kritischen Veränderungen können die Ärzte rechtzeitig eingreifen. Aber auch Hausärzte, so Daniels, könnten schnell die Meinung von Spezialisten einholen.

Hier sieht der künftige Sprecher des Landesverbandes noch Informationsbedarf. Insbesondere ältere Ärzte seien schwer von den Vorteilen der Technik zu überzeugen. Daniels will sich deshalb von Politikern Unterstützung holen. Dazu hat er die Bundeskanzlerin nach Ebersberg eingeladen. In der Kreisstadt könne sich Angela Merkel über das vielfältige Spektrum des Gesundheitssystems und seinen Innovationen ein umfassendes Bild machen, ist Daniels sicher.

© SZ vom 19.08.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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