Gelungene Mischung:Was bin ich für dich?

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Hip-Hopper Roger Rekless und Drummer Fabian Füss bringen den Glonner "Marktblick" mit ihrer Mischung aus Performance, Lesung und Konzert zum Kochen

Von Michaela Pelz, Glonn

Kids lieben Rap und Hip-Hop - ihre Eltern hingegen schätzen die Songs oft eher nicht, wenn darin im Zentrum "Gewaltverherrlichung und schlimme Texte" stehen. Das war der Anlass für Markus Steinberger, Inhaber des Glonner "Marktblicks", sich auf die Suche nach Alternativen zu begeben, um sie im Rahmen seines Kulturangebots zu präsentieren. Wie gut, dass zur selben Zeit Hip-Hop-Künstler Roger Rekless und Drummer Fabian Füss, seit zwei Jahren Glonner und Lehrer an der örtlichen Musikschule, "etwas ganz Neues" machen wollten, nämlich eine Mischung aus Performance, Lesung und Konzert. Und zwar in der "Heimat", dort wo sie wohnen oder im Fall von Rekless alias David Mayonga herkommen. Denn der stammt aus Markt Schwaben. Außerdem hat der studierte Pädagoge nicht nur mit "Über die Natur der Dinge" ein relativ neues Album am Start, sondern ist auch mit seinem jüngst erschienenen Buch "Ein Neger darf nicht neben mir sitzen" unter die Autoren gegangen.

Um ihn live zu erleben, sind sie da: Fans aus der unmittelbaren Umgebung, aus dem gesamten Landkreis, viele in Gruppen. Sogar vom Ammersee sind sie gekommen. Und Leute wie Martina und Max aus Moosach, die durch Zeitungsartikel neugierig wurden oder ihn als "PULS"-Moderator kennen. Der Gastraum ist bis auf den letzten, kuhfellbespannten Hocker gefüllt. Auch einige sehr junge Zuhörer sieht man, manche dem Vernehmen nach ursprünglich von den Eltern zur Teilnahme verdonnert, im Handumdrehen aber selbst total begeistert von dem Hünen mit dem ansteckenden Lachen.

Liegt es an seinem warmen Bairisch, das bei Einheimischen wie "Zuagroasten" ein angenehm-heimeliges Gefühl auslöst? Punktet Rekless mit der spielerischen Leichtigkeit und erkennbaren Freude, mit der er beim auf Improvisation basierenden Freestyle aus Beobachtungen und Zufallsbegriffen eine Kaskade von Sätzen entstehen lässt, die er dann zu einem Strom aus wundervoll-witzigen Miniaturen verdichtet? Oder überzeugt er doch mit den Schilderungen des seit frühester Jugend erlebten Alltagsrassismus - bittere und bedrückende Wahrheit in launiger Verpackung, die erst für Lacher sorgt, dann zum Nachdenken anregt?

Es ist wohl eine Mischung aus allem. Am meisten zählt aber die Tatsache, dass der 38-jährige einer ist, der nie den Glauben an das Gute verloren hat - trotz der beschriebenen Ausgrenzung, Polizeikontrollen nur aufgrund seiner Hautfarbe oder Provokation mit gezielten Beleidigungen. Der immer noch bereit ist, auf seine Mitmenschen zuzugehen. Einer, der den Finger in die Wunde legt, ohne sich aber darauf zu beschränken, sondern stets mit dem Subtext: Jeder Mensch hat viele Facetten. Respektiert sie! Macht euch bewusst, dass manchem nur aufgrund von Äußerlichkeiten das Leben erschwert wird! Ändert das - jeden Tag!

In seinem wohl persönlichsten Song fragt Rekless: "Was bin ich für dich?" und bietet auch gleich verschiedene Möglichkeiten an: "Ein Terrorist, ein Migrant? / . . .Ein Akademiker? / Ein Looser? / Ein Bruder? / Einer der Musik in seinem Blut hat?". Das Letzte lässt sich zweifelsfrei bestätigen, genauso wie seine Qualitäten als Entertainer. Er hat das Publikum fest im Griff. Die johlenden Besucher folgen jeder Aufforderung, egal, ob es um Echogesang oder um "Sitztanz mit Schulterbewegung" geht. Sie feiern die Hymne des werdenden Vaters an alle Mütter, die ihre Kinder in deren kreativem Tun bestärken, auch wenn es das Sprayen von Graffiti ist. Und sie sind völlig entfesselt, als er nach einem Reim für "Batikpulli" sucht, Getränkebestellungen freestylt und sich Überraschungsgast Monaco F. für einen gemeinsamen bairischen Rap auf die Bühne holt. Nie gab es einen besseren Beweis dafür, dass es bei diesem Musik-Genre "um Energie geht, um den Austausch zwischen Publikum und Künstler, nicht um Geld, Waffen und Drogen, wie viele glauben." Kongenial ergänzt wird Rekless dabei von Fabian Füss, der ganz besonders am Ende beim Song "Drums" mit seinen Soli nochmals zu absoluter Hochform aufläuft: "Was soll das heißen, du magst die Drums nicht?"

Der Saal kocht, alle Hände bewegen sich im Rhythmus, die Zuhörer bejubeln die Künstler, die wiederum sind sichtlich begeistert von der Resonanz und auch der Wirt ist hin und weg. Nur die 87-jährige Dame, von ihrem Enkel, einem Musikschüler des Drummers, "hergeschleppt", ist nicht ganz zufrieden: "Also mir war es zu wenig Schlagzeug!"

© SZ vom 06.05.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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