Gelungene Generalprobe:"Nur frisch, nur frisch gesungen"

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Ein Kammerchor mit Niveau: "A cappella!" aus Zorneding. (Foto: Veranstalter)

"A cappella!" und "Voicensation!" zeigen sich sehr gut vorbereitet für den Bayerischen Chorwettbewerb

Von Ulrich Pfaffenberger, Zorneding

Gelungene Generalprobe: Bei einem Sonderkonzert im Zornedinger Rathaus am Sonntagabend haben sich der Kammerchor "A cappella" und das Vokalensemble "Voicensation" in glänzender Form für den Bayerischen Chorwettbewerb am kommenden Wochenende in München präsentiert. Eckhard Meißner, der beide Ensembles leitet, hatte sich für den Auftritt entschieden, um aus der Begegnung mit dem Publikum zusätzliche Energie für den Wettbewerb zu gewinnen - was mit dem begeisterten Applaus auch geglückt sein dürfte.

Der Kammerchor wird sich seiner Aufgabe am Samstag mit einem Programm aus sechs Stücken stellen, das die Vorgaben Volkslied, Renaissance/Frühbarock, Romantik und Moderne umfasst: ein "Vater Unser" von Pierre Vielette, "In einem Kühlen Grunde" in der Form von Max Reger, dem "Moro, lasso" von Carlo Gesualdo, "Wanderers Nachtlied" nach Alphonse Diepenbrock, "Jubilate Deo" von Petro Ferrario sowie "Friede und gute Zeit" von Thomas Buchholz nach einem Text von Martin Luther. Letztgenanntes ist das Pflichtstück, dem sich alle Chöre stellen müssen, eine moderne Komposition von ungelenker Komplexität. Eines jener Werke, denen sich Ausführende weniger mit Liebe nähern als mit Respekt, die klassische "Einserbremse", in der Gestalt einer Lüppertz-Skulptur näher als einem Rodin. Für professionelle Chöre liefert ein solches Opus Gelegenheit zur Profilierung. Auf der Ebene von Laienchören braucht es schon einen mit der Erfahrung und auf dem Niveau von "A cappella", um hier eine Interpretation hinzubekommen, die das Zuhören wert ist. Umso erstaunlicher die Souveränität und der detailgenaue Vortrag der Zornedinger, dem das kenntnisreiche Publikum mit spürbarer Anerkennung folgte.

Die Dramaturgie hat Meißner klug gewählt, indem er das Pflichtstück in die Mitte des zwanzigminütigen Programms einbettet, umgeben von der Alten Musik Gesualdos und dem Romantiker Diepenbrock. Das eine, kunstvolles Gebilde mit einer markanten Architektur aus Licht und Schatten, reinigt Geist und Stimmbänder für die große Aufgabe; das andere, elegisch und voll zärtlicher Kraft, führt die Sängerinnen und Sänger zurück in friedliche Gefilde. Denn anders als der Titel "Friede und gute Zeit" vermuten lässt, geht Buchholz' Komposition mehrfach in die Grenzbereiche der Stimmlagen und bewegt sich in den Dynamiken so aggressiv, dass der polternde Luther vermutlich seine Freude daran hätte. Der Chor aber nutzt die Gelegenheit, seine Stärken in der Pflicht wie in den fünf Kür-Stücken auszuspielen: die Glanzpunkte strahlen zu lassen, aber nicht zu überzeichnen, die Harmonien demonstrativ zu leben und, vor allem, Schluss-Takte von außergewöhnlicher Schönheit zu zelebrieren. Insbesondere seine - heute selten gewordene - Ausgeglichenheit bei Frauen- und Männerstimmen nutzt "A cappella" hier in vollendeter Form.

Ohne Pflichtstück, aber mit der gleichen Epochenvorgabe und Zeitbegrenzung, wird sich am Sonntag erstmals das vierstimmige Schwester-Ensemble "Voicensation" dem Wettbewerb stellen. Beginnend mit zwei Stücken Alter Musik, "If you love me" von Thomas Tallis und "Cantate Domino" von Leonhard Lechner, gefolgt vom modernen "Ubi Caritas" des Norwegers Ola Gjeilo und dem Volkslied "Frisch gesungen" mündet das Programm in die "Resignation" aus Hugo Wolfs "Sechs geistlichen Gesängen" und "Three nonsense songs" des Ungarn Mátyás Seiber. Auch hier ist die Auswahl perfekt angelegt, um die Bandbreite und die Stärken des Quartetts zum Klingen zu bringen - und gleichzeitig die verschiedenen Emotionalitäten vom sakralen Gesang bis zum vertonten Limerick auszuspielen. Da klingt Jazz genauso an wie Orlando di Lasso und geben dem nüchternen Saal des Rathauses lebendige Farbe, da gesellt sich elegante Modernität zu kunstvoller Klangpoesie und umfangen, getragen vom Können und der Leidenschaft der Sängerinnen und Sänger, die Zuhörer mit Wärme und Geist.

Die Kunst des vermeintlich Einfachen, aber wahrhaft Schwierigen auf hohem Niveau und in bemerkenswert kompaktem Format demonstriert: Das war der Sonntag in Zorneding.

© SZ vom 14.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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