Geburtstag:Ein Hörmusiker feiert

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Als einer der letzten Grandseigneurs und als "Dorfdichter" gilt Claus Regnault in seinem Heimatort Dichau, wo er seit langem wohnt. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Der Musikkritiker Claus Regnault wird 90 Jahre alt. Seine Rezensionen sind ausgefeilt und fundiert

Von Anja Blum, Grafing

Sein Lebenstraum wäre es gewesen, als Dirigent am Pult zu stehen. Doch das traute sich der junge Claus Regnault offenbar nicht zu. "Ich war eben kein Wunderkind - und nach dem Abitur dachte ich dann, es sei zu spät für eine Karriere im Konzertsaal", erzählt er heute. Doch seine Liebe zu Klassik und Jazz blieb bestehen, und so erfand Regnault kurzerhand seine eigene berufliche Gattung: "Ich wurde Hörmusiker". Allein beim Genuss blieb es allerdings nicht: In den 80er Jahren beschwerte sich der Grafinger höchstwahrscheinlich wortreich bei der Ebersberger SZ wegen einer fehlerhaften Konzertkritik - "es war von Dixie die Rede, dabei handelte es sich um Bebop!" - woraufhin die Redaktion den Anwalt einlud, selbst einmal eine Rezension zu verfassen. Das war der Auftakt zu einer fruchtbaren Zusammenarbeit, die bis heute andauert. An diesem Sonntag, 30. Dezember, feiert er seinen 90. Geburtstag - und die SZ Ebersberg gratuliert ganz herzlich.

Regnaults kompetente und meist schwelgerische Kritiken von Klassik- sowie Jazzkonzerten im Landkreis erfreuen seit Jahrzehnten eine nicht unerhebliche Fangemeinde. In seiner riesigen Platten- und CD-Sammlung befinden sich rund 700 Schellackplatten. Noch heute besucht er die Musica-Viva-Konzerte, ist also auch in moderner Musik sehr bewandert und mit einigen lebenden Komponisten persönlich bekannt, zum Beispiel mit Rodion Schtschedrin, Wolfgang Rihm oder Jörg Widmann.

Ganz eng befreundet war Regnault auch mit dem Glonner Komponisten Günter Bialas, dessen Nachlass er zu verwalten hatte. Im Landkreis hat er überdies so manchen jungen Jazzmusiker gefördert, etwa durch Auftritte in seinem ersten Grafinger Wohnsitz in Seeschneid. Regnault ist Mitglied der Akademie der Schönen Künste, wo er einmal einen sehr geschätzten Vortrag über die Geschichte des Jazz gehalten hat.

Aber vor allem in Dichau, wo er seit langem wohnt, ist Regnault, einer der letzten Grandseigneurs, populär. Hier gilt er als "Dorfdichter", weil er bei fast jedem besonderen Geburtstag oder Fest witzig Gereimtes zum Besten gibt. Übrigens läuft er trotz seines mittlerweile stattlichen Alters noch gelegentlich zu Fuß nach Grafing zum Einkaufen. Nur für die Rückkehr bergauf bittet er dann oftmals jemanden um einen "Lift".

Geboren wurde Claus Regnault 1928 in München - im Herbst 1943 erlebt der damals 15-Jährige die Zerstörungen seiner Heimatstadt hautnah, im Luftschutzbunker sitzend. Seine zwei Talente bekam er offenbar vererbt: Die Mutter war Konzertgeigerin - hing allerdings laut Regnault ihre Violine am Tag der Hochzeit an den Nagel - der Vater war ein angesehener Anwalt und Aufsichtsrat in mehreren Unternehmen, der "leidlich Bratsche" spielte.

Claus Regnault hat seinen Beruf als Anwalt nur zum Broterwerb ausgeübt, seine Leidenschaft galt von Jugend an der Musik, aber auch der Kunst und Literatur. Schon als Schüler hat er Jazzplatten gesammelt - im Dritten Reich freilich unerwünscht - und amerikanische Soldaten damit erfreut. Trotzdem arbeitet er später als Anwalt für Familien-, Erb- und Verkehrsrecht. So richtig glücklich wird Regnault also wohl erst, als zur "spitzen Feder" der Paragrafen die "feinere" der Konzertkritik hinzustößt: Seine Rezensionen sind ausgefeilt wie ein Schlussplädoyer und kenntnisreich wie ein Musiklexikon. Allein nachgelassen hat der Umfang, anstatt wie früher rund 200 liefert er mittlerweile nur mehr etwa 70 pointierte Zeilen.

Bereits seit den 70ern lebt Regnault in Grafing, zu seiner Familie zählen drei Kinder und drei Enkel. Derzeit schreibt der Anwalt im Unruhestand an seinen Memoiren - man darf also schon jetzt gespannt sein, was er von den vergangenen 90 Jahren alles zu erzählen weiß.

© SZ vom 29.12.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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