Geboren in Grafing:"Ich müsste ja eigentlich schon im Altenheim sein. Aber ich will nicht!"

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Elisabeth Wallenöffer feiert ihren 100. Geburtstag - ihren Geist hält sie mit Zeitunglesen fit

Von Johanna Feckl, Grafing

Elisabeth Wallenöffer hatte es in ihrem Leben nicht immer leicht. Heute ist sie 100 Jahre alt und freut sich über ihre vier Enkel und fünf Urenkel - der sechste ist bereits unterwegs. (Foto: Christian Endt)

Elisabeth Wallenöffer sitzt in einem knautschigen grünen Ohrensessel. Sie beugt sich leicht nach vorne, dorthin, wo Grafings Bürgermeisterin Angelika Obermayr (Grüne) Platz genommen hat und wenige Minuten später auch der stellvertretende Landrat Toni Ried (FW), und spricht mit zaghafter Stimme: "Ich müsste ja eigentlich schon im Altenheim sein." Die Grafingerin feierte am 25. Dezember ihren 100. Geburtstag. Ihr Blick ist ernst, zunächst. "Aber ich will nicht!" Die zierliche Frau, schick gekleidet mit dunkelgrünem Rock, hellgrünem Pullover und grüngemusterten Seidentuch, lacht.

Das tut die 100-Jährige oft. Manchmal schlägt sie dabei ihre Hände zusammen und verhakt die Finger ineinander. Es ist ein leises Lachen, trotzdem taucht es ihr gesamtes Gesicht in ein Strahlen. Es passt zu ihrem interessierten, freundlichen und bescheidenen Gemüt. "Greifen Sie zu, wir haben Plätzchen und Schnittchen, sie sind nur ganz klein, bitte entschuldigen Sie." Wallenöffer bittet ihre Enkelin Esther Fredrick, die Geburtstagsgäste mit Häppchen zu versorgen und beginnt, von ihrem Leben zu erzählen.

Geboren wurde Wallenöffer 1918 in Grafing. Ihre jungen Jahre waren geprägt von zwei schweren Verlusten: Ihr älterer Bruder Martin musste als Soldat im Zweiten Weltkrieg an der russischen Front kämpfen - und kehrte nicht zurück. Bis heute gilt er als verschollen. Früher noch, Wallenöffer war erst fünf Jahre alt, starb ihr Vater. "Meine Mutter hat dann wieder heiraten müssen", erzählt die 100-Jährige. Das "müssen" betont sie. Wegen der Landwirtschaft, die ihre Eltern betrieben, erklärt sie. "Meine Mutter hat immer alles im Griff gehabt!"

"Genau wie du auch, Mama." Helmuth Wallenöffer, der älteste Sohn von Elisabeth Wallenöffer, streicht seiner Mutter kurz über die Schulter. Seit einigen Jahren lebt der Rentner bei seiner Mutter im Haus und hilft ihr, wo es nötig ist. Die Grafingerin hat einen weiteren Sohn, 1946 geboren. Noch einmal zwei Jahre später kam ihre Tochter zur Welt. Mittlerweile gibt es auch noch vier Enkel und fünf Urenkel - der sechste ist bereits unterwegs.

Zuvor aber, zu Beginn der 1940er lernte Wallenöffer ihren Mann kennen und heiratete ihn, als sie 25 Jahre alt war. Sie zog zu ihm nach München, wo er eine Zahnarztpraxis betrieb. Dort lebte sie etwas mehr als 35 Jahre, bevor die damalige Hausfrau zusammen mit ihrem Ehemann zurück nach Grafing zog. Vor zehn Jahren dann starb ihr Mann im Alter von 92 Jahren.

Was Wallenöffer auch mit 100 Jahren noch im Griff hat ist ihr Gedächtnis. Seitdem sie sich erinnern kann, hat sie gerne und viel gelesen. Auch heute noch. "Sehen kann ich noch sehr gut", sagt sie. "Ich lese Zeitung, das ist wichtig." Sie zählt einige Namen von Journalisten auf. Denn Wallenöffer achtet darauf, wer die Artikel, die sie liest, geschrieben hat. Zu Weihnachten hat sie sich ein Abonnement gewünscht, damit sie wie früher jeden Tag lesen und sich informieren kann, was in der Welt geschieht.

"Außerdem bin ich religiös sehr interessiert." Die 100-Jährige betont, dass Zweifel sie immer begleiten, obwohl sie sich selbst als gläubig bezeichnet. "Ich mache mir immer sehr viele Gedanken über alles." Zum Beispiel über die Geschenke, die Obermayr und Ried mitgebracht haben. "Es gibt so viele arme Menschen, da muss man auch helfen", sagt Wallenöffer. "Ich habs ja gar nicht so nötig."

© SZ vom 28.12.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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