Frauenbründl:Ein mystischer Ort

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Seit vielen Jahren zieht das Marienheiligtum in der Gemeinde Baiern Wallfahrer an. Nun droht die Heilquelle zu versiegen. Doch hat die Auenlandschaft um die Kapelle weit mehr zu bieten

Von Karin Pill, Baiern

Es ist ein kalter und feuchter Oktobertag. Die kleine Kapelle Frauenbründl in der Gemeinde Baiern liegt ruhig in einer Senke, umgeben von Wald, Blumenwiesen und dem "Frauenbründlbacherl", wie die Einheimischen es nennen. Von der Straße aus sieht das Kirchlein eher unscheinbar aus, sodass man meinen könnte, dass sich hierher wohl niemand freiwillig verirrt. Doch der Schein trügt. Seit Jahrhunderten zieht dieser Ort Menschen von nah und fern an. Allerdings ist im Pandemie-Jahr 2020 alles etwas anders.

Corona hin oder her - einer der regelmäßig hierherkommt, ist Bernd Hertling. Seit 20 Jahren gibt der Grafinger Heilpraktiker Kräuterführungen in Ebersberg und der Umgebung. Seine jüngste Führung fand Mitte Oktober beim Marienheiligtum Frauenbründl statt. Zehn Teilnehmer waren trotz herbstlichen Dauerregens gekommen, berichtet Hertling. Zwar gebe es hier nicht übermäßig viele Heilkräuter, aber die Auenlandschaft rund um die Kapelle sei ein besonders schöner Ort, den die Menschen kennen.

Malerisch in einer Senke gelegen ist die Marienkapelle Frauenbründl mit ihrer berühmten Heilquelle. Doch jetzt droht die Quelle zu versiegen. (Foto: Christian Endt)

Dieser Ort ist wirklich besonders. Das Frauenbründl hat etwas Mystisches an sich. Früh morgens steht der Nebel lange über den Wiesen, der Tau verfängt sich in den Grashalmen, und die Vögel bauen filigrane Nester in den Sträuchern. Auch im Herbst wachsen auf den umliegenden Wiesen noch so manche Heilkräuter. Hertling sagt dazu: "Viele Frühblüher probieren es im Herbst noch einmal. So ist eben die Natur." Am Ufer des Frauenbründlbacherls finden sich aktuell noch Heilpflanzen wie Mädesüß, Weißdorn und - direkt neben den Heilpflanzen - das hochgiftige Pfaffenkäppchen. Doch auch hier gilt: So ist eben die Natur.

Der Natur ist es wohl auch zuzuschreiben, dass die hiesige Heilquelle, die das Frauenbründl über die Landkreisgrenzen hinaus bekannt gemacht hat, nun in diesem außergewöhnlichen Jahr 2020 zu versiegen droht. Schuld daran ist - ausnahmsweise einmal - nicht das Coronavirus.

"Ein Grund für den Rückgang der Quelle könnte auf jeden Fall der mangelnde Niederschlag der vergangenen Jahre sein", sagt Martin Riedl, Bürgermeister der Gemeinde Baiern. "Auch bei der Trinkwasserversorgung haben wir in letzter Zeit einen Rückgang bemerkt." Ob das jedoch tatsächlich der Auslöser ist, möchte Riedl in den kommenden Wochen mit einem Geologen herausfinden. "Wir sind gerade schon dran, die Quelle genauer zu untersuchen. Möglicherweise sind es ja auch mechanische Probleme", sagt er. Um die Quellfassung freizulegen, müssen vorübergehend einige Kirchenbänke in der Kapelle abgebaut werden. Dann werden Geologen tief in den Brunnenschacht hinuntersteigen.

Wo sonst die Wallfahrer literweise Wasser abfüllten, ist nur noch ein kleines Rinnsal zu sehen. (Foto: Christian Endt)

Wer jedoch schon mal die Wiesen rings um das Frauenbründl durchquert hat, wird nicht glauben können, dass es hier einen Wassermangel geben soll. Steht man hier länger, bekommt man nasse Füße und sinkt mit der Zeit ins feuchte Gras ein. Der Kräuterführer Bernd Hertling bezeichnet diese Vegetation als eine "feuchte Niederung". In ebendieser feuchten Niederung entspringt die Quelle des Frauenbründls. Schon seit Urzeiten ist seine heilsame Wirkung bekannt. "Der Sage nach wurden die Leute, die sich hier gewaschen haben, von der Pest geheilt", erzählt Riedl. 1635 wurde dann die Kapelle über die Quelle gebaut. Seitdem pilgerten viele Menschen zum Frauenbründl und erhofften sich hier Heilung vor allem bei Augenleiden. Seit 1926 fand hier jedes Jahr am ersten Sonntag im Juli das Frauenbründlfest statt. Dieses Jahr fiel es aus. "Ich kann mich nicht erinnern, dass das Fest davor je einmal ausgefallen ist", sagt Riedl.

Überhaupt kommen seit den vergangenen Monaten stetig weniger Menschen hierher, weil die Heilquelle immer mehr zu einem Rinnsal wurde. Das ist eine beachtliche Tatsache, erlebte das Frauenbründl doch in den vergangenen beiden Jahrzehnten einen regelrechten "Hype", wie Riedl es beschreibt. 2003 wurde die heilsame Wirkung des Wassers in einem Fernseh-Beitrag erwähnt und fortan pilgerten die Menschen hierher, um sich das Wasser literweise abzufüllen. Sicherlich kamen viele wegen der Heilwirkung, andere wollten aber auch in den Genuss von völlig reinem und unberührtem Quellwasser kommen.

Heilpraktiker Bernd Hertling kommt trotzdem immer wieder an diesen Ort, der seiner Ansicht nach weit mehr zu bieten hat. (Foto: Christian Endt)

Auch Hertling bedauert, dass die Sprudelkraft der Quelle nachlässt. Aber so sei das eben in der Natur. Der Kräuterexperte kann diesem Ort auch ohne "Hype" etwas abgewinnen. In den Wiesen um die Kapelle wachsen beispielsweise viele verschiedene Minz-Sorten. Sie alle zu benennen, scheint jedoch schier unmöglich. "Wer sagt, er kenne alle Minzen, ist entweder ein Scharlatan oder ein exzellenter Botaniker", sagt Hertling schmunzelnd. Ein Botaniker ist Hertling zwar auch nicht, doch kommt ihm sein Archäologie-Studium zugute, wenn es um die lateinischen oder griechischen Namen der Heilpflanzen geht. So lernen Zuhörer in seiner Führung zum Beispiel, was das Pfaffenkäppchen mit Hades, dem Herrscher der Unterwelt, zu tun hat. Sein Wissen über Namensherkünfte von Pflanzen aber natürlich auch über Pflanzenheilkunde hat Hertling in seinem Buch "Wie aus dem Zankapfel die Einbeere wurde. (Heil-)Pflanzen im Griechischen Mythos" gebündelt.

Seine eigene Asthma-Erkrankung führte ihn zu seinem jetzigen Beruf. Den Höhepunkt seiner Krankheit erlebte er, als er aus eigener Kraft keine vier Stockwerke mehr erklimmen konnte. Es müsse sich etwas ändern, sagte er sich. Das Asthma bekam er dann mit Pflanzen- und Naturheilkunde in den Griff. Schließlich entschied er sich, Heilpraktiker zu werden und doziert inzwischen auch an einer Schule für Homöopathie in München. Auch seine Führungen rund um Ebersberg sind gefragt. Und ob die Quelle des Frauenbründls nun laut sprudelt oder nur leise plätschert, Hertling wird seine Führungen weiterhin um das Frauenbründl herum anbieten, denn seine Mystik wird der Ort so schnell nicht verlieren.

© SZ vom 27.10.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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