Foto-Ausstellung:Linse küsst Rinde

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Der Vaterstettener Fotoclub eröffnet im Museum Wald und Umwelt eine Ausstellung über die Vielfalt des Ebersberger Forsts. Im Fokus stehen Nahaufnahmen von Details - oft mit digitalem Filter. Manche Bilder lassen Raum für Fantasie

Von Korbinian Eisenberger, Ebersberg

Es wäre ein recht gewöhnliches Schwarz-Weiß-Foto von einem Baum im Wald. Stünde da nicht dieses Symbol auf dem Stamm: Ein Fragezeichen leuchtet einem vom rechten unteren Bildrand in roter Farbe entgegen und bleibt sogleich im Kopf hängen. Warum steht jetzt da ein Fragezeichen auf dem Baum?, fragt man sich. So ein Effekt ist von Fotografen durchaus gewünscht, denn bei einem Bild, das Fragen aufwirft, interessiert den Betrachter auch die Geschichte.

Der Ebersberger Forst erzählt viele Geschichten, kleine und große, solche, die sich aufschreiben lassen, und andere, für die Worte nicht ausreichen. 13 Fotografen haben nun den Versuch gemacht, den Forst mit der Kamera einzufangen. Seit Mitte der Woche hängen 54 Aufnahmen im Ebersberger Museum Wald und Umwelt. Initiator der Ausstellung "Facetten des Forstes" sind der Fotoclub Vaterstetten und der Forstbetrieb Wasserburg, der für den Ebersberger Forst zuständig ist. Eröffnet wird die Schau im Museum auf der Ludwigshöhe am Sonntag, 14. Januar, mit einer Vernissage, Beginn ist um elf Uhr.

Ein Selbstläufer war das Unterfangen des Fotoclubs Vaterstetten, einen der größten zusammenhängenden Wälder Bayerns in Bildern einzufangen, sicher nicht. Kaum wo anders kriecht, raschelt, knarzt und duftet es schließlich so herrlich, wie wenn man durch den Ebersberger Forst spaziert. Insofern ist es durchaus möglich, dass eine Ausstellung wie diese dem Charme des Waldes nicht gerecht wird, weil Bilder ihn womöglich nicht adäquat vermitteln können. Es kann passieren, dass man den Wald vor lauter Bäumen nicht sieht.

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(Foto: Photographie Peter Hinz-Rosin)

Fast schon abstrakt ist das Foto "In Sichtweite" von Eleisa Caro,...

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(Foto: Photographie Peter Hinz-Rosin)

...sehr geheimnisvoll die "Schutzhütte" von Ulrich Steger.

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(Foto: Photographie Peter Hinz-Rosin)

Holger Oesterling vom Vaterstettener Fotoclub führt zusammen mit Forstamtsleiter Heinz Utschig (links) und Ines Linke vom Museum Wald und Umwelt durch die Schau.

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(Foto: Photographie Peter Hinz-Rosin)

Viele Fotografen sind mit der Kamera nah dran an ihrem Motiv, so auch Oesterling selbst mit seinen Foto "Fliegenpilz".

Bei einer Vorabbesichtigung am Mittwoch gab es bereits Einblicke in die Galerie im Untergeschoss des Waldmuseums. Holger Oesterling vom Fotoclub Vaterstetten, Forstamtsleiter Heinz Utschig und Ines Linke von der Museumsleitung führten durch den Raum. "Es geht um Landschaft, um Details, um Tiere, aber auch ums Experimentelle", so Oesterling, der die Ausstellung mitinitiiert und selbst vier Fotos beigesteuert hat, darunter auch das Bild mit dem Fragezeichen. "Die Ausstellung zeigt, dass etwas ganz normales eine besondere Ästhetik haben kann", sagt Forstchef Utschig. "Dann, wenn man den Blick dafür hat, und eine Szene ins richtige Licht rückt".

Manche Aufnahmen eröffnen tatsächlich eine Perspektive, die man so nicht erwartet hätte. Besonders sticht hier ein Foto-Quartett von Ulrich Steger ins Auge, vier gerahmte Bilder, die jeweils ein sehr simples, fast banales Motiv zeigen: Rinde von Baumstämmen. Und trotzdem ist das Tableau spannend. Der Fotograf war mit seiner Kamera offenbar sehr nah dran am Stamm, es wirkt fast, als ob die Linse die Rinde küsst. Ihr Duktus ist in jeder Faser zu erkennen, klarer, als wenn man selbst vor einem Baum steht. So besonders macht die Arbeit aber erst die Anordnung im Quartett aus Birke, Eiche, Thuja, Kiefer. Wohl kaum ein Werk trifft den Ausstellungstitel "Facetten des Forsts" besser.

Viele Fotografen sind wie Steger sehr dicht dran am Detail. So zu sehen in einer Großaufnahme eines Hallimaschen-Pilz' im Laub von Fotografin Hilde Jüngst. Recht nah dran ist auch die Aufnahme eines Borkenkäfers, der sich in die Rinde bohrt, fotografiert von Petra Kreis. Andere zeigen den Forst von einer Seite, die viele Einheimische kennen dürften. In Lambert Hells Fotografie "Schnell" ist ein Wildschwein zu sehen, das mit seinen riesigen Hauern und aufgestellten Nackenhaaren über den schneebedeckten Waldboden düst. Und es gibt mehrere Aufnahmen, wo sich das Licht der Sonne im Wald bricht, nicht neu, aber immer wieder hübsch anzusehen. Neu ist, dass im Zeitalter der digitalen Fotografie oft mit Filtern gearbeitet wird. Das mag teils überzeugen, teilweise auch nicht, Farbfilter sind wie so vieles im Leben Geschmackssache.

„Quo Vadis?“ nennt sich dieses Foto von Holger Oesterling. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Als Schwachstelle der Ausstellung könnte man ausmachen, dass viele Fotos etwas ungenau beschriftet sind. Für Fotografie-Liebhaber sind zwar unter jedem Bild technische Details zur Kamera genannt. Wer jedoch vor allem wissen will, aus welchem Teil des Forsts eine Aufnahme stammt, wird kaum fündig. Weil diese Info in vielen Bildtexten fehlt, muss man sich hier auf die eigene Ortskenntnis verlassen. Vielleicht ist das aber auch eine Stärke, nicht alles zu erfahren, ist ein Geheimnis doch nur so lange spannend, wie es eines ist.

Das wohl geheimnisvollste Bild stammt von Ulrich Steger. Es zeigt Bäume bei Schnee. Die Finsternis hat die Dämmerung fast verdrängt, nur in einem Holzverschlag brennt noch Licht. Durch offene Stellen in der Bretterwand fällt der warme Schein auf den kalten Waldboden. Wer da wohl gerade am Werk ist? Fotos wie diese lassen Assoziationen zu, genau wie die fast schon abstrakte Aufnahme "In Sichtweite" von Eleisa Caro, wo nur das Zentrum scharf erscheint und der Rest verschwimmt.

Genug Raum also für Fantasien, die Ausstellung schafft es, dass man den Wald nicht nur in seiner Vielfalt sieht, man spürt ihn teilweise auch, wegen all der Geheimnisse und Fragezeichen, die zwischen dem Holz in den Bildern lauern. Eines davon löst die Ausstellung dann doch noch auf: Die Förster im Ebersberger Wald malen das rote Symbol auf den Stamm, wenn ein Baum Zeichen von Borkenkäferbefall hat, aber man sich dessen noch nicht sicher ist. Der Baum ist vergänglich. Auch das ist eine Facette, die zum Wald gehört.

"Facetten des Forstes": Vernissage ist am Sonntag, 14. Januar, um elf Uhr im Ebersberger Museum Wald und Umwelt, Ludwigshöhe 3. Zu sehen sind die Bilder dann bis 4. März.

© SZ vom 11.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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