Forstinning:Aus Gästen werden Freunde

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Hildegard Geigl, Maria Feckl, Martina Erfmann und Elisabeth Stanglmeier (von links) erzählen von ihrer Integrationsarbeit. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Auf Einladung des "Mach mit"-Vereins berichten Menschen, die sich in der Flüchtlingshilfe engagieren, in Forstinning von ihren Erlebnissen

Von Max Nahrhaft, Forstinning

"Wichtig ist, dass man im Gespräch bleibt. Ich plädiere dafür, sich vorher zu informieren." Diese Worte von Elisabeth Stanglmeier beschreiben treffend Sinn und Zweck des Treffens in Forstinning: Vier Frauen, die sich selbst in verschiedenen Formen für Flüchtlinge engagieren, erzählten von ihren Erfahrungen und der praktischen Arbeit. Die Plattform hierfür bot der "Mach Mit"-Verein zusammen mit Bürgermeister Rupert Ostermair (CSU) und Sozialarbeiter Mathias Weigl im Mehrzweckraum des Forstinninger Sportparks.

Hildegard Geigl aus Forstinning berichtete von ihrer Arbeit am Fliegerhorst in Erding. Dort kommen die Menschen an, die an den deutschen Grenzen nicht registriert werden konnten. Geigl ist im sogenannten "Welcome Center" tätig, wo die eintreffenden Menschen zur Ruhe kommen sollen und mit Kaffee, Tee und Gebäck versorgt werden, bevor sie dann weiter in ganz Deutschland verteilt werden. Sie beschrieb ihre Eindrücke vom Kontakt mit den Flüchtlingen: "Die Leute, die ich dort kennengelernt habe, gehen auf die Flucht, weil sie große Not haben, und nicht weil sie bei uns alles kriegen. Sie verlassen ihre Heimat nicht gerne." Man sehe ihnen ihre Anerkennung für die Hilfe, die sie hier bekommen, wirklich an.

Auch Maria Feckl vom Helferkreis in Forstern im Landkreis Erding erzählte von ihrem Engagement. Sie organisiert ehrenamtlich Deutschkurse, die drei mal in der Woche stattfinden. Sowohl Abiturienten und Studenten, als auch Senioren würden mithelfen, um den 14 Flüchtlingen im Ort eine sprachliche Basis für gelungene Integration zu vermitteln. "Es gibt wirklich jeden Tag was anderes zu tun. Das macht mir so viel Spaß an der Arbeit", sagte Maria Feckl. Ziel der Kurse sei natürlich auch die Alphabetisierung, vor allem aber sollen sich die Flüchtlinge in der Gruppe wohl fühlen.

In der Runde von ungefähr 50 Interessierten im Mehrzweckraum waren auch Flüchtlinge dabei, die aktuell in Anzing leben. Einer der fünf anwesenden Eritreer bedankte sich in sehr gutem Deutsch: "Sie ist wie eine Mutter!" Damit meinte er Elisabeth Stanglmeier. Die pensionierte Lehrerin ist fast jeden Tag in dem Haus in Anzing, in dem die 25 Flüchtlinge aus Eritrea untergebracht sind. "Ein wundervoller Moment war es, als wir die erste Anerkennung erhalten haben, das wurde richtig gefeiert", erzählte die Pensionärin freudig. Inzwischen sind neun der 25 Bewohner des Hauses anerkannt.

Stanglmeier sagt selbst von sich, dass sie ein Helfersyndrom habe. Sie will Hilfe zur Selbsthilfe geben, damit sich die Menschen im Alltag in Deutschland zurecht finden - und das funktioniere in Anzing hervorragend. 13 Bewohner haben ohne Hilfe des Jobcenters bereits Arbeit gefunden. Dafür fahren sie täglich bei Wind und Wetter mit dem Fahrrad bis zu acht Kilometer weit nach Parsdorf. Alle anderen sind in Deutschkursen beschäftigt oder nehmen an einer speziellen Berufsschulvorbereitung in München Teil. In Anzing hat jeder Flüchtling einen Sprach- und Familienpaten, der sich individuell um ihn kümmert und als Ansprechpartner dient. Nach anfänglichen Protesten der Nachbarn besteht nun ein sehr gutes Verhältnis zwischen alteingesessenen Anzinger und den afrikanischen Flüchtlingen.

Inzwischen steht vor allem das gegenseitige Kennenlernen im Fokus. Die Menschen sollen sich nicht nur integrieren, sondern auch eigene Bräuche und ihre Kultur vorstellen können. "Zuletzt haben wir eine eritreische Kaffeezeremonie veranstaltet. Das war wirklich toll!", erzählt Stanglmeier. Die eritreischen Bewohner der Unterkunft versorgen sich komplett selbst, haben Fahrräder, gehen zu Integrationskursen und beteiligen sich am Leben in der Gemeinde. Auseinandersetzungen aufgrund von verschiedenen Ansichten über Religion, Benehmen oder Anstand habe es noch nie gegeben.

Trotzdem gebe es auch Dinge, die noch verbesserungsfähig sind. Ganz wichtig wäre die Installation von Wlan in den Unterkünften im ganzen Landkreis, sagt Stanglmeier. Dort, wo es jetzt schon vorhanden ist, laufe es in privater Hand. Damit sind aber im Ernstfall große Risiken bezüglich der Haftung verbunden. Alle Helfer plädieren deswegen für ein öffentlich eingerichtetes Wlan-Netzwerk. Weitere Kritik wurde am fehlenden Wohnraum geäußert. Anerkannte Asylbewerber sollten eigentlich aus den Gemeinschaftsunterkünften ausziehen, fänden aber auf dem angespannten Wohnungsmarkt keine bezahlbare Wohnung.

Zum Ende der Veranstaltung gab Martina Erfmann vom katholischen Kreisbildungswerk in Ebersberg, die das Gespräch moderierte, noch einige praktische Tipps, wie man mit ausländerfeindlichen Hetzparolen umgehen sollte. Von ihrer eigenen Arbeit ausgehend meinte sie, dass es am besten sei, wenn man von eigenen Erfahrungen mit Flüchtlingen erzähle. Sie sagte: "Die meisten rassistischen Äußerungen kommen von Menschen, die noch nie Kontakt mit Ausländern hatten." Ein Anfang wurde in Forstinning gemacht.

© SZ vom 20.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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