Finanzen in Ebersberg:Streit ums Sparen

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Ebersberger Kreistagsmitglieder werfen der Verwaltung vor, beschlossene Kürzungen zu ignorieren

Von Wieland Bögel, Ebersberg

Nichts weniger als Arbeitsverweigerung haben einige Kreistagsmitglieder verschiedener Fraktionen nun der Verwaltung im Ebersberger Landratsamt vorgeworfen. Hintergrund ist die in diesem Sommer vom Gremium beschlossene Haushaltskürzung um 2,5 Prozent. Rund 1,7 Millionen Euro sollten so gespart werden - weniger als ein Viertel davon, 381 101 Euro, werden es nun aber tatsächlich sein. Diese Summe wurde nun in der Sitzung des Kreis- und Strategieausschusses genannt - und als ein Grund für die Verfehlung der Sparziele, dass die Politik trotz Kürzungsbeschluss weiterhin munter Geld ausgegeben habe.

Auf insgesamt 1,11 Millionen Euro bezifferte der Bericht die "Beschlüsse mit Kostenauswirkungen außerplan" in diesem Jahr. Wobei allerdings der größte Posten in diesem Paket nicht freiwillig ausgegeben wurde, es handelt sich um eine Rückforderung von falsch gebuchtem Fördergeld in Höhe von 453 000 Euro.

Für Martin Wagner, Sprecher der CSU-FDP-Fraktion, sind diese zusätzlichen Ausgaben ohnehin unerheblich für das nun vorgestellte Ergebnis, "es geht ja um die anderen Abteilungen". Er frage sich schon, "warum beschließen wir hier denn überhaupt was, wenn sich keiner daran hält?" Schließlich hätten Ausschuss wie Kreistag im Sommer der Verwaltung das Ziel vorgegeben, 2,5 Prozent der Haushaltssumme einzusparen, "da erwarte ich, dass sich die Abteilungen zusammensetzen und das möglich machen".

Verärgert zeigte sich auch Christian Bauer (CSU), der Grafinger Bürgermeister verwies darauf, dass die nicht erfolgten Einsparungen am Ende die Kommunen über die Kreisumlage zu tragen hätten. Allerdings sah er eine Mitschuld auch im Kreistag: "Wir müssen uns an die eigene Nase packen und dürfen nicht immer Sachen beschließen, die immer mehr Geld kosten."

Auch Wilfried Seidelmann (FW) mahnte "mehr Bescheidenheit" an. "Das Geld fällt nicht vom Himmel, wir müssen nicht immer die ersten Vorreiter sein." Exemplarisch nannte Seidelmann die vom Landkreis in Eigenregie beschaffte Corona-App, die nie eingesetzt werden konnte, den Landkreis aber 18 000 Euro gekostet habe. Alexander Müller (FDP) sagte, ihm sei schon beim Lesen der Sitzungsunterlagen "der Blutdruck gestiegen". Es ärgere ihn, wenn der Kreistag "ständig Einsparungen beschließe und dann passiert nichts". Aber auch Müller sah die Politik in der Verantwortung für die hohen Ausgaben: "Wir müssen im Landkreis nicht immer die Ersten und die Besten sein", meinte er mit Verweis auf Projekte wie die Gesundheitsregion oder das Demografie-Konzept.

"Das waren alles Anträge der CSU-FDP-Fraktion," konterte Landrat Robert Niedergesäß (CSU). Laut Kreiskämmerin Brigitte Keller wären die nun angemahnten Einsparungen nur "mit dem ganz scharfen Schwert" einer Haushaltssperre umzusetzen gewesen.

Eine Information, die so zuvor offenbar nicht bei den Kreisräten angekommen war. "Ich fühle mich schlecht informiert", beklagte Albert Hingerl, dessen SPD dem Sparprogramm an sich eher skeptisch gegenübergestanden hatte, die Kommunikation darüber. Aber auch, wie dieses nun umgesetzt worden sei, "das war ein Schuss ins Ofenrohr", sagte der frühere Poinger Bürgermeister: "Wir haben doch alle in unseren Verwaltungen schon Sparprogramme gemacht - und so macht man es nicht, so geht das nicht, mir fehlt die Selbstkritik des Landratsamtes."

Er kenne "kein Rathaus im Landkreis", dessen Controlling so transparent und so übersichtlich arbeite, wie es die Kreisverwaltung tue, konterte deren Chef. Außerdem verwehrte sich Niedergesäß gegen den Vorwurf "wir werfen das Geld zum Fenster raus". Er verwies darauf, dass die Verwaltung sehr wohl darauf achte, nicht zu viel auszugeben. So habe man etwa im Gegensatz zu anderen Landkreisen die Luftfilter für Klassenzimmer per Leasing und nicht per Kauf angeschafft was den Kreis statt 2,7 Millionen lediglich 600 000 Euro kosten werde. Ein bisschen war Niedergesäß die Verärgerung über die Kritik aus dem Gremium dann auch anzumerken: Es handele sich ohnehin nur um einen Bericht, den könne das Gremium zur Kenntnis nehmen "oder auch nicht, das ist mir wurscht".

Unterstützung für die Verwaltung kam ausgerechnet von der Seite, die sonst oftmals ihr schärfster Kritiker ist: AfD-Kreisrat Manfred Schmidt. Grundsätzlich sei er auch für mehr Bescheidenheit bei den Ausgaben, allerdings müsse er die Frage stellen, ob "die Schimpf-Kanonade an die Verwaltung" berechtigt sei. Laut Schmidt ist die Antwort eher nein, denn jene, die sie abfeuern "sitzen im Glashaus". Schmidt erinnerte in dem Zusammenhang an die Arbeitsgruppe Freiwillige Leistungen. Diese hätte nach seinem Dafürhalten wenig gebracht. So habe es lediglich zwei Sitzungen der Gruppe gegeben und "es war auch viel Interessantes dabei" - nur seien am Ende eben keine konkreten Einsparungen beschlossen worden.

Was laut Landrat auch daran lag, dass sich die Perspektive sehr schnell ändere, wenn es zu konkret wird: "Es heißt erst immer, wir geben zu viel aus - aber wenn es ins Detail geht, dann ist es wieder zu wenig." Er fühle sich da manchmal an den Spruch von Karl Valentin erinnert, so Niedergesäß, wonach jedes Ding drei Seiten habe: "Eine positive, eine negative und eine komische." Gelacht wurde im Ausschuss zu diesem Thema dennoch nicht - aber zumindest nahmen die Mitglieder den Bericht einstimmig zur Kenntnis.

© SZ vom 11.11.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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