Familienprojekt:Herz über Kopf

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Wally und Ami Warning überzeugen mit gefühlvollem "Groove & Soul" im ausverkauften Alten Kino Ebersberg

Von Daniel Fritz, Ebersberg

Das Plakat zeigt Vater und Tochter warm lächelnd und so nah und persönlich, man könnte meinen, ein Freund hätte das Foto geknipst. Dass das Alte Kino beim Konzert von Wally und Ami Warning komplett ausverkauft ist, liegt bestimmt auch an diesem einladenden Bild.

Wally Warning stammt von der Insel Aruba, die 70 Kilometer nördlich von Venezuela im karibischen Meer liegt. Die Einflüsse seiner Herkunft, seiner Lebensstationen bringt er mit Tochter Ami auf die Bühne. Er trägt seine Lieder fast nur in Englisch und in seiner Muttersprache Papiamentu vor, obwohl er gut deutsch spricht und mit bayrischen Ausdrücken spaßt. Seine Tochter singt sowohl englisch als auch deutsch, letzteres gerne bei den von ihr geschriebenen Songs. Beide spielen abwechselnd Gitarre sowie Bassukulele und tauschen die Instrumente oft grinsend hin und her. Aufgrund der identischen Spieltechnik - beispielsweise das weiche Basszupfen mit der Seite des Daumens - ahnt man, von wem Ami gelernt hat. Wally verziert seine Gitarrenbegleitung oft mit einer kleinen Melodie über den Akkorden. Wenn sein Gesang dann davon abweicht, klingt das fast, als ob er zweistimmig singt - ein spannender Effekt.

Musiziert wird ohne feste Setliste, man lässt sich von der Stimmung durch den Abend treiben. Genügend Material haben die beiden drauf, der dritte Mann Ruben Lipka am Drumset muss auch mal ungeprobt dazuspielen. Die Musiker nehmen es locker - und das kommt gut an. Überhaupt fühlt es sich eher so an, den Warnings bei einem Jam auf ihrer Terrasse beiwohnen zu dürfen, als in einem modernen Kulturraum zu sein. An einer Strandbar wäre diese Musik sicher noch besser platziert.

Wally führt mit seiner entspannten Art durch den Abend und erklärt gerne scherzend die Entstehung einzelner Lieder. Spannend ist seine Stimmvielfalt: Je nach Kontext singt, ruft, rappt und spricht er und hat sichtbar Spaß an seinen verschieden Vocalsounds. Das stellenweise Wackelige stört nicht, es schwingt eben viel Leben mit. Seine Tochter Ami ist ruhiger und ernster, ihre Stimme ertönt tief und voll. Sie intoniert sauber mit tiefem Kehlkopf, klingt dadurch rau, fast heiser und älter als sie ist. Im Mehrstimmigen verleiht ihr Timbre den Songs eine zusätzliche Tiefe. Der Stimmklang der beiden ergänzt sich gut; an Aussprache, Phrasierung und Dynamik hört man, dass sie viel zusammen singen. Stilistisch gibt es einen Querschnitt der familiären Musikkultur: Stücke, die an traditionelle arubaische Hymnals angelehnt sind, Popsongs sowie Lieder mit Reggae- und Raggagrooves. Dem populären One Drop Reggae-Beat (eine schwere Betonung in der Mitte des Taktes) widmet Wally sogar einen eignen Song. Themen sind der Klimawandel, wie unersetzbar "Mother Nature" ist, sowie Erfahrungen und Lebensweisheiten wie das swingende "Take Life as it comes" und "Follow your Heart". Letzteres ist Basis des Schaffens: unverkopfte Musik. Ami singt von Zwischenmenschlichem, mit jemandem "Untertauchen" oder "Loslassen" zu können, während besonders im zweiten Set Wallys Glaube viel Raum einnimmt. Er sieht es gelassen mit der Interpretation: "Cover me with Love" sei in Gedanken an Jesus entstanden, werde aber gerne mal als Kuschelaufforderung verstanden, erzählt er schmunzelnd.

Ruben Lipka macht am Schlagzeug eine gute Figur. Aufmerksam, mit positiver Ausstrahlung spielt er für die beiden Warnings, nicht, um sich selbst hervorzuheben. Seine Beats mit vielen leisen Ghostnotes (kaum hörbare Füllschläge) sind stabil und transportieren die Musik ins Publikum; das Schlagzeug klingt toll im Kinosaal. An dieser Stelle sollte man auch den Toningenieur loben, der auch Gitarren und Stimmen schön und gut verständlich abmischt. Der Gesamtsound ist rund und voll, nichts fehlt im Spektrum, einzig der Bass ist manchmal etwas mächtig.

Die drei Musiker spielen mit Genrevielfalt, variieren Grooves, Begleitpattern und gestalten so die Lieder abwechslungsreich. Auf harmonischer Seite ist es reduzierter: Mit wenigen Akkorden und Parts, dafür vielen Wiederholungen sind die Songs sehr einfach gestrickt. Es gibt weder kontrastierende Teile wie die pop-typische Bridge oder umrahmende Intros und Outros. Die Endings sind recht abrupt. Auch Soli gibt es nicht, einzig Wally imitiert mal kurz Blasinstrumente oder "scattet". Auch textlich arbeitet er repetitiv: ein Slogan wird vielmals verkündet, die Strophen reihen meist Beispiele dazu auf.

Die Einfachheit ist jedoch Teil der Darbietung - nicht unbedingt ein Manko. Das wohlwollende Publikum lässt sich darauf ein und nimmt das Bühnengeschehen als das, was es ist: ein Einblick in das authentische Schaffen von Vater und Tochter. Musik und Texte können mühelos verstanden werden und überfordern nicht; allerdings plätschert es teilweise auch ziemlich unaufregend dahin - Geschmackssache. Stimmungsvoll sind jene Stellen, bei denen das Publikum zum Mitsingen aufgefordert wird, besonders als es einen Song beenden darf und statt der Band das letzte Wort hat. Als klangliche Abwechslung spielt Wally später Ukulele. Auch eine indische Shrutibox, quasi ein Ein-Akkord-Akkordeon, wird kreativ eingesetzt. Sein bekanntester Song "No Monkey" von 2007 erklingt gegen Ende des Abends.

Das Versprechen des Plakats wird also gehalten: Die Warnings agieren gutherzig und leger. Sie so direkt zu erleben ist ein Ereignis. Ob ihre Musik als reiner Tonträger funktioniert, kann man mit der neuen CD "Footsteps" zuhause ausprobieren.

© SZ vom 14.01.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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