Fahrradfahren im Forst:Neue Kiesdecke im Ebersberger Forst verdirbt Radlern den Spaß

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Je dicker der Kieselstein und je dünner der Radlreifen, desto komplizierter wird die Angelegenheit. Forstamtsleiter Heinz Utschig (Mitte) und seine beiden Förster Hannes Deininger (links) und Michael Waldherr begutachten die frische Splittdecke. In zwei drei Wochen soll sich das Problem gelegt haben. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Eine Maßnahme der Förster macht die Durchquerung mit dem Fahrrad für viele zum Ärgernis. Jetzt erklärt sich der Forstchef.

Report von Korbinian Eisenberger

Herrschaftszeiten, hat sich Christine Wimmer gedacht. Die Baldhamerin war am Sonntag vor einer Woche mit dem Radl im Ebersberger Forst unterwegs, zwischen Pöring und Sankt Hubertus, wie sonst auch, wenn das Wetter einen geradezu einlädt. Und dann das: Wo man sonst bequem durch den Wald radeln konnte, ist plötzlich zentimeterdick Kies aufgeschüttet. "Gestandene Mannsbilder haben ihre Radeln geschoben", sagt die 73-Jährige. "Und einige Kinder habe ich mit ihren Rädern am Boden liegen sehen". Ihre Enkelin habe zwar stellenweise fahren können, so Wimmer: "Aber nur, weil sie ein Mountainbike mit breiten Reifen hat."

Was Christine Wimmer der SZ am Sonntag erzählt, hat sie drei Tage zuvor bereits in einer wütenden E-Mail an das Forstamt erklärt. Heinz Utschig, Leiter des zuständigen Betriebs in Wasserburg, hat bis zum Wochenende knapp ein Dutzend solcher Zuschriften erhalten. Utschig ist der Chef im Ebersberger Forst, er hat seine Förster kürzlich damit beauftragt, 35 Kilometer Forststraßen mit Splitt aufzuschütten. Die Strecken sind für Radler ausgeschrieben. "Es geht uns aber auch darum, dass die Straßen erhalten bleiben", sagt Utschig.

Viel Dank hat der Forstamtsleiter bisher nicht erfahren, wohl auch, weil die Wege in Radkarten für Familien empfohlen sind: Die Reaktionen sind eindeutig: "Saugefährlich", schreibt ein Mann aus Baldham. "Das Ganze kann man derzeit nur als Parkour zum Fitnesstraining für Mountainbiker bezeichnen", schreibt Achim Dallmann vom Vaterstettener Arbeitskreis Verkehr. Eine Poingerin befürchtet, dass es drei Jahre dauert, ehe sich der Kies eingetreten hat. Sie erwarte "eine konstruktive Antwort und möglichst baldige Abhilfe".

Freitagnachmittag, die Sonne brennt herunter, ein Kiesweg mitten im Ebersberger Forst. Heinz Utschig hat sich zuletzt einiges anhören dürfen, jetzt will der Chef im Forst erklären, was es mit der Kies-Aktion auf sich hat. "Gerade ist es wirklich extrem schwierig auf einigen Straßen" sagt Utschig. Er könne den Ärger der Radfahrer verstehen, sagt er, aber es helfe halt auch nichts. "Die Wege gehen kaputt, deswegen muss man sie alle paar Jahre ausbessern".

Ein "rückgestufter" Forstweg: So sehen viele Straßen aus, die nicht mit Forstgeräten befahren und wenig gepflegt werden (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Vielleicht noch zwei drei Wochen, dann dürfte man wieder bequem radeln können

Im Ebersberger Forst läuft das so: Von den 210 Kilometern an Forststraßen durch den Wald werden 150 regelmäßig gepflegt. Das heißt, dass die Förster dort fünf Mal im Jahr Kies vom Wegrand zurück in die Mitte schieben. Entscheidend für den aktuellen Zwist: "Durch die Autos und Radfahrer verschwindet trotz all dem immer ein Teil der Kiesdecke im Graben", sagt Utschig, dazu entstehen mit der Zeit Schlaglöcher. Alle fünf bis sechs Jahre wird deswegen ein Teil der Wege runderneuert, indem neuer Kies draufkommt. Und dieses Jahr war die Strecke im süd-westlichen Teil des Forstes dran. Sie führt direkt zu den Forsthäusern Diana und Sankt Hubertus, zwei beliebte Gaststätten mitten im Wald.

Herwig Hofer lässt sich von der neuen Kiesschicht nicht abhalten. Der 81-Jährige dreht täglich seine Runde. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Utschig kniet mit zwei Kollegen am Wegrand, die Splittschicht ist hier knapp zwei Zentimeter dick, so wie an den meisten erneuerten Wegen. Beim Auftragen rinnt der Kies aus der Lade eines Lasters durch einen kleinen Schlitz. "Wenn der Fahrer bremsen muss oder über eine Kreuzung fährt, dann kann es auch mal passieren, dass die Kiesschicht dicker wird als wir es wollen", sagt Utschig. Klar dass sich da wer aufregt, bei tausend Spaziergängern, 800 Joggern und bis zu 2000 Radlern, die sich an einem guten Tag im Naherholungsgebiet Ebersberger Forst bewegen.

Im Schatten des Waldes ist es das perfekte Radlwetter, doch an diesem Freitagnachmittag sind kaum Radler unterwegs, zumindest nicht dort, wo jetzt die frische Kiesschicht drauf liegt. Ein einsamer Radfahrer kämpft sich durch, unter seinem Helm schaut er recht grimmig drein. Es gäbe ja auch die Möglichkeit, dass man auf einen der Nebenwege ausweicht, wo nicht aufgestreut wurde. "Das Problem ist nur, dass viele sich nicht gut genug auskennen", sagt Utschig. Und verlaufen mag man sich in einem der größten bayerischen Wälder dann auch nicht zwingend.

Später Nachmittag ist es geworden, da radelt ein Mann mit schmalen Haxen und noch schmäleren Reifen entspannt am Wegrand vorbei. Herwig Hofer, 81, hat sich wie jeden Tag auf sein Stadtrad gesetzt. Die Reifen sind fast so dünn wie bei einem Rennrad, doch Hofer hat das ziemlich gut im Griff. "Die Straßen sind besser hergerichtet als früher", sagt der Kirchseeoner. Vor 30, 40 Jahren, da habe er oft Schlaglöchern ausweichen müssen, ein Sturz, ein Platten, so war das halt damals. "Das bisserl Kies", sagt er, "alles halb so wild".

Es gibt Schlimmeres, als sich über Kieselsteine zu ärgern. Aber der verflixte Reifen bleibt halt trotzdem dauernd stecken. In den Briefen sieht es fast so aus, als habe sich der halbe Radler-Landkreis gegen den Forstchef verschworen. Drei Jahre soll das noch so gehen, wie es in einer E-Mail stand? Utschig sieht das anders, vielleicht noch zwei drei Wochen, dann könne man wieder bequem radeln. "Wir hatten etwas Pech, weil es jetzt so trocken war", sagt er. "Wenn es aber mal ordentlich schüttet, dann bindet sich der Kies mit dem Untergrund". So gesehen hatte der verregnete Sonntag für die Radler auch sein Gutes.

© SZ vom 26.06.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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