Europawahl:Fair, frei und friedlich

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Helmut Ertel (von links) begrüßt Nikolaus Kraus, Robert Harrison, Benedikt Flexeder, Korbinian Rüger, Thomas von Sarnowski und Eric Bourguignon. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Auf einer Podiumsdiskussion in Vaterstetten bekennen sich alle Kandidaten zu einem starken Europa. Sie fordern aber noch mehr politische Zusammenarbeit und wünschen sich ein besseres Image

Von Amelie Hörger, Vaterstetten

"Eine starke Frauenquote", ruft jemand aus dem Publikum zu Beginn der Podiumsdiskussion, organisiert von der Volkshochschule Vaterstetten und der Europa-Union. Für einen Moment schauen sich die sechs Männer auf der Bühne verdutzt um. Dann startet die Erklärungsflut der einzelnen Parteien. So erklären Thomas von Sarnowski (Die Grünen) und Nikolaus Kraus (FW), sie seien schließlich nur in Stellvertretung für ihre weiblichen Spitzenkandidatinnen nach Vaterstetten gekommen. Doch so gehört die Bühne an diesem Abend einer männlichen Riege mit anfangs recht wenig Kampfgeist.

Schnell wird klar, die Kandidaten sind in keiner wirklichen Streitlaune. Zu einig sind sie sich in der Grundfrage zu Europa und dessen Wichtigkeit. So betonen alle Teilnehmenden immer wieder die Bedeutung der anstehenden Wahl am 26. Mai und bekennen sich zu einem starken gemeinsamen Europa. Alleine an den beteiligten Rednern wird die Vielfalt in der Europäische Union deutlich. Mit dem sehr vertrauten bayerischen Dialekt von Kandidat Benedikt Flexeder (CSU) mischen sich der englische Akzent von Robert Harrison (FDP) und die weiche französische Aussprache von Eric Bourguignon (Die Linke). Es scheint, als wollten sie demonstrieren: So sieht europäische Zusammenarbeit aus.

Ein Großteil der Redezeit wird darauf verwendet, Europa mit positiven Assoziationen zu verknüpfen. So erklärt Thomas von Sarnowski: "Ich bin Teil der Generation, wo Europa schon gelebte Wirklichkeit ist", und einige der jüngeren auf dem Podium und im Publikum nicken. Benedikt Flexeder sagt, Europa stehe für die drei Fs: Fair, frei und friedlich. Letzteres scheint auch das Motto für die Diskussion an diesem Abend zu sein.

Gerade zu Beginn sind die Meinungen der einzelnen Kandidaten und Redner kaum voneinander zu unterscheiden. Zu schwammig sind die Diskussionspunkte. Zu groß das Konzept Europa, das in vielen Punkten schwer greifbar ist und keine konkreten Lösungen anspricht. Denn darüber, dass Frieden in Europa eine gute Sache ist, muss eigentlich nicht debattiert werden.

Ein wenig eindeutiger werden die Aussagen bei dem langdiskutierten Thema Sicherheit und Migration. Zwei Punkte, die laut SPD-Kandidat Korbinian Rüger nicht in einen Topf geworfen werden sollten. Eine bessere Zusammenarbeit von Polizeibehörden der einzelnen Mitgliedsländer fordert die FDP. Auch CSU und Freie Wähler wollen eine feste Außengrenze, und Korbinian Rüger (SPD) spricht von der Notwenigkeit einer Europäischen Außenpolitik mit einem Außenministerium, das die inneren, nationalen Ministerien ersetzt, sowie einer gemeinsamen Armee, gegen die nur die Linke etwas einzuwenden hat.

Ein wenig lauter wird es nur, als über vergangene Themen wie beispielsweise das Handelsabkommen TTIP gesprochen wird. Sowohl Harrison (FDP) als auch Flexeder (CSU) hielten dies für eine gute Entscheidung für Europa. Im Gegensatz dazu steht von Sarnowski (Die Grünen), der dem Vertrag viel Potenzial zuschreibt, jedoch meint, er sei schlecht umgesetzt worden. Auf die Zukunft ausgerichtet sind neben der Frage nach der Sicherheit vor allem das Thema Zusammenarbeit mit anderen nicht europäischen Nationen wie den USA, China oder Russland. Doch auch hier gleichen sich die Meinungen. Mit einer Stimme müsse Europa mit anderen reden, denn "wenn man zu Reden aufhört, dann ist man dem Krieg näher", so Kraus (FW). Eine Meinung, die auf dem Rest der Bühne Anklang findet.

Alleine durch die Publikumsfragen, einige von den spärlich vertretenen Erstwählern im Raum, kommen kritische Anmerkungen auf. "Wie erklären Sie sich den Anstieg an EU-skeptischen Parteien?", fragt zum Beispiel ein Anwesender, oder eine Dame sagt: "Was würden Sie konkret im EU-Parlament machen, um die Schere zwischen Arm und Reich zu verringern?" Nur 30 Sekunden bekommen die Kandidaten, um auf diese anspruchsvolle Frage eine Antwort zu formulieren. Von europäischem Mindestlohn wird kurz gesprochen, vom Brexit, vom Euro, von einem stärkeren EU-Parlament, welches nicht immer im Spannungsverhältnis mit dem national-denkenden EU-Rat steht.

Große Themen in kurzem zeitlichem Rahmen. Doch was zu den Zuschauern durchdringt, ist die Begeisterung an Europa, welche die Kandidaten vermitteln wollen. Egal ob dies an dem lang anhaltenden Frieden liegt oder an der Abschaffung der Roaming-Gebühren. "Die EU braucht dringend einen Imageberater", sagt Flexeder und erntet für seinen Vorschlag eines Schüleraustauschs von Mittelschule bis Gymnasium den lautesten Applaus am Abend. Weiter ruft er zu einem positiven Denken und Reden über die Europäische Union auf. "Nur am Stammtisch werden Meinungen gemacht, besonders in Bayern", so sein Fazit. Dort geht es dann vielleicht weniger friedlich und ein bisschen streitlustiger zu als an diesem Abend.

© SZ vom 15.04.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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