Es darf gerast werden:Zu wenig gefährlich

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Josef Höhl und Rosa Fischbacher demonstrieren mit einem Rollstuhl, wie gefährlich das Nadelöhr an der Straußdorfer Ortsdurchfahrt sein kann. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Verkehrsbehörden und Polizei sehen keinen Anlass für ein Tempolimit in Straußdorf. Sie empfehlen stattdessen einen Umweg über den Friedhof

Von Anja Blum, Grafing

Sie hatten sich gut vorbereitet, die Straußdorfer, in der Hoffnung, bei den Behörden endlich Gehör zu finden. Martin Lechner, Beschwerdeführer und CSU-Kreisrat, sowie Florian Wieser, Sprecher des Arbeitskreises Dorferneuerung, und ihre Mitstreiter hatten nicht nur etliche Argumente parat, sondern sogar einen Rollstuhl. "Damit sie mal sehen, dass das hier gar nicht funktioniert." Sogar Bürgermeisterin Angelika Obermayr (Grüne) war gekommen, um die Initiative der Straußdorfer zu unterstützen. Doch all die Mühe führte nicht zum gewünschten Ergebnis: Die Vertreter der Behörden erteilten dem Wunsch nach einer Tempo-30-Zone eine klare Absage.

Seit Jahren schon versuchen die Bewohner des Dorfes im Grafinger Süden, die Situation an ihrer Durchgangsstraße zu verbessern. Denn der Verkehr dort sei zu viel, zu schnell, zu laut und zu gefährlich. Bei dem Ortstermin am Dienstag stand aber vor allem eine Stelle im Mittelpunkt: der Abschnitt, wo die Straße an der Kirche vorbeiführt, denn hier gibt es die meisten Probleme. Die Fahrbahn ist so schmal, dass keine zwei Lastwagen aneinander vorbeikommen, außerdem gibt es nur auf einer Seite einen ziemlich schiefen und vor allem schmalen Gehweg. Die Stelle zwischen Kirche und einem Wohnhaus auf der anderen Seite ist ein Nadelöhr für alle Verkehrsteilnehmer. Und praktisch unpassierbar für die schwächsten: Mit einem Kinderwagen, Rollator oder Rollstuhl kommt man an dem Gotteshaus nicht vorbei, wie die Straußdorfer eindrucksvoll demonstrierten.

"Der Gehweg ist nur 50 Zentimeter breit, de facto gibt es hier also gar keinen", sagte Lechner, der "den Antrag im Namen der Kinder gestellt" hatte. Diese nämlich müssten auf ihrem Weg zum Schulbus an der Kirche vorbei - und seien daher von der Situation "persönlich betroffen". Eine Mutter berichtet davon, dass ihr Sohn erst kürzlich beinahe angefahren worden sei. "Da hat viel Schnee gelegen, so dass der Randstein nicht zu sehen war. Wahrscheinlich deswegen ist ein Kleinlaster auf den Gehsteig gefahren - mein Sohn konnte sich gerade noch wegdrehen. Er stand mit dem Gesicht an der Kirchenmauer, trotzdem hat der Außenspiegel ihn am Ranzen erwischt. Er war fix und fertig, als er heim kam." Auch nach der Christmette sei es beinahe zu einem Unfall gekommen, erzählten andere. "Die Fahrerin hat sogar angehalten - in der Meinung, jemanden erwischt zu haben, so knapp war das."

Trotzdem: An Tempo 30 sei hier nicht zu denken, sagte Hermann Ziegler von der Verkehrsbehörde des Landratsamtes. Zwar sei Ende 2016 ein neues Gesetz in Kraft getreten, das die Voraussetzungen für ein Tempolimit auf Staatsstraßen ein wenig lockere, doch die Hürden seien immer noch hoch. Ausnahmen könnten nur gemacht werden, wenn eine "konkrete Gefährdung" vorliege. Das sei hier nicht der Fall. "Das geben weder die Unfallzahlen her, noch unsere Messungen", so Ziegler. Die Kontrollen hätten alle nur etwa ein Prozent Überschreitungen im niedrigsten Bereich ergeben, und die Polizei habe 2016 keinen einzigen Unfall aufgenommen. "Von den Dingen, die Sie da erzählen, wurde nichts dokumentiert", sagte Ziegler.

Letztlich versprachen er, Dirk Anders von der Ebersberger Polizei und ein Vertreter des Straßenbauamtes in Rosenheim den Straußdorfern, andere Möglichkeiten zu prüfen. "Eine zweite Bushaltestelle im Unterdorf zum Beispiel halte ich für durchaus machbar", so Ziegler. Aber auch eine Straßenmarkierung und weitere Beschilderung werde man prüfen. Das Beste aber wäre, so die Behördenvertreter, wenn man die Fußgänger von der Straße weg bekäme, also den Weg hinter der Kirche barrierefrei ausbauen könnte. "Das wäre zwar ein kleiner Umweg, aber um einiges sicherer", sagte Ziegler.

© SZ vom 01.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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